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„Der ferne schöne Klang“ von Zep

Nach den zwei Sci-Fi-Comics „Paris 2119“ und „The End“ veröffentlicht Zep, der für seine Titeuf-Reihe bekannt ist, eine weitere Graphic Novel für Erwachsene: In „Der ferne schöne Klang“ widmet er sich den leiseren und tieferen Moll-Tönen des Lebens. Denn es geht um den Kartäusermönch Marcus, der seit Jahrzehnten sein Kloster nicht verlassen hat, aber nun, um eine Erbschaft antreten zu können, nach Paris reisen muss. Dabei begegnet er auf der Straße einer Frau, die ihn wieder mit den Seiten des Lebens vertraut macht, die er bereits vergessen hatte.

Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle bereits den Natur-Apokalypse-Comic „The End“ von Zep besprochen. Nun ist, ebenfalls bei Schreiber und Leser, der Nachfolge-Comic erschienen, der allerdings thematisch und inhaltlich überhaupt nichts mit dem Vorgänger zu tun hat. Lediglich die Art der Zeichnungen und Illustrationen – die relativ monochrom gehaltenen Bilder in Blau-, Braun-, Grün- und Rottönen – sowie die sparsame Verwendung von Kommentaren und die Betonung auf dem Dialog erinnern an „The End“.

Es kommt bei Zeps Graphic Novels für Erwachsene schon einmal vor, dass über mehrere Seiten überhaupt nicht oder kaum gesprochen wird, und man die großflächigen Zeichnungen auf sich wirken lassen kann, etwa zu Beginn die von Bergspitzen, auf denen Mönche als Einsiedler zwischen Geröll und Ziegenböcken ihre Zeit fristen. Damit ist der Gegenstand des Buches schon gesetzt, denn es geht um einen Kartäusermönch namens Marcus, der seit Jahrzehnten in einem Kloster lebt und die Außenwelt nicht mehr aus eigener Erfahrung kennt. Er ist in dieser Zeit im eigentlichen Sinne des Wortes weltfremd geworden, gewöhnt an den Alltag des Klosters, der sich zwischen Gebeten, täglichen Arbeiten im Garten, in der Küche etc. abspielt.

Doch sein Leben ändert sich, als der Abt ihm mitteilt, dass Marcus eine Erbschaft in Paris antreten soll, nachdem seine Tante verstorben ist: „Wir haben einen Brief vom Notar aus Paris erhalten. Monsieur Odier bestellt dich zur Verlesung des Testaments in einer Woche.“ Anfänglich zögert Marcus, da er seit 25 Jahren nicht in der Außenwelt war, der Abt überredet ihn allerdings, dass die Kirche das Geld gut gebrauchen kann, denn seine Tante hinterlässt ein Erbe von mehreren Millionen. Und Marcus muss, damit das Erbe ausgehändigt wird, selbst nach Paris reisen, da es so im letzten Willen seiner Tante verfügt ist, die nie verstanden hat, dass er sich vor der Welt ins Kloster zurückzieht. Für sie war der Gang ins Kloster eine Flucht.

Trotz aller anfänglichen Zweifel genießt Marcus es, wieder den Eindrücken der Außenwelt ausgesetzt zu sein – den Farben, Gerüchen, den Geräuschen, dem Anblick von Passantinnen. Er sieht sich selbst als Rückkehrer in die Welt. Im Zug nach Paris lernt er eine Frau kennen, die ihm gegenübersitzt und die ihn in ein Gespräch verwickelt. Sie sprechen über seine Entscheidung ins Kloster zu gehen, über sein Schweigegelübde, das er gerade bricht, und über die tödliche Krankheit der anderen Zugpassagierin namens Mery, die ihr nur noch einige Monate zu leben lässt. Sie lädt ihn daraufhin in ihre Crêperie „L’Albatros“ ein.

Während der ganzen Zeit fragt man sich als Leserin oder Leser: Wird der Mönch nach der Fahrt nach Paris in sein Kloster zurückkehren oder sich für das Leben in Paris entscheiden, jetzt, wo er sich wieder an den Eindrücken der Außenwelt zu erfreuen scheint? Diese Frage wird am Ende des Buches beantwortet. Was mir am besten gefallen hat, waren die Rückblenden in die Vergangenheit, die zum Beispiel aufgezeigt haben, dass sich die Tante von Marcus gegen seine Entscheidung, ins Kloster zu gehen, stellte, oder in denen es darum ging, wie er als junger Mann eine kurze Beziehung zu einer Frau hatte, ehe er sich für ein anderes Leben entschied. Ohne diese Rückblenden hätte dem Comic ein wesentlicher Teil gefehlt.

Der Plot mit der Erbschaft – die Fahrt nach Paris nach 25 Jahren im Kloster, die Begegnung mit der Passagierin im Zug und die Frage, wie er sich danach entscheidet – war meiner Meinung nach etwas zu schwach und zu wenig ausgearbeitet, um ein ganzes Buch mit durchgehendem Spannungsbogen zu bestreiten. Dementsprechend rasch liest sich die Graphic Novel – und es bleibt am Ende ein Gefühl der Unzufriedenheit, da man sich am Anfang mehr erwartet hat. „Der ferne schöne Klang“ ist für mich in diesem Werk von Zep nicht in die Nähe gerückt. Dennoch handelt es sich um ein kurzweiliges und handwerklich-künstlerisch gut umgesetztes Comic-Vergnügen.

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