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„Bonjour Tristesse“ von Françoise Sagan

Françoise Sagan schrieb „Bonjour Tristesse“ 1954 mit 18 Jahren innerhalb von einigen Wochen – und der Erfolg gab ihr Recht. Denn der rasch geschriebene Roman, der auch für einen Skandal in der französischen Literaturlandschaft sorgte, wurde zum Bestseller. Die Autorin schaffte mit dem Buch über einen Sommer am Meer und ein Liebes-Dreieck (oder Vieleck) den Durchbruch, außerdem wurde das Werk mehrmals verfilmt, u. a. mit Deborah Kerr und David Niven im Jahr 1958.

Es war die Art und Weise, wie Frauen in Sagans Roman auftraten, wie sie agierten, wie selbstbewusst, selbstverständlich emanzipiert sie waren, die die Kritiker auf den Plan rief. Sagan wurde von der Kritik einerseits gefeiert – sie erhielt den Prix des Critiques -, andererseits wurde sie von einem Autor wie François Mauriac als „charmant petit monstre de dix-huits ans“ bezeichnet, als charmantes kleines 18-jähriges Monster. Zwischen Ehrfurcht und Abscheu bewegte sich wohl das Spektrum der Emotionen, die die Kritiker gegenüber der jungen Schriftstellerin hegten, die sich in einer Männerdomäne als emanzipierte Frau behauptete.

So wurde Sagan auch als „Radiguet en jupon“ gesehen, als weibliche Nachfolgerin des männlichen Jungtalentes Raymond Radiguet, der mit Anfang 20 mit zwei Romanen Erfolge gefeiert hatte. „Bonjour Tristesse“ sollte der größte Erfolg Françoise Sagans bleiben, es folgten Bücher, die ähnliche Themen behandelten. Themen, die bei Sagan immer wiederkehren, sind die komplizierte Liebe zwischen mehreren Personen, die Liebe zwischen jüngeren Frauen und älteren Männern und die Liebesdreiecke, die sich im Laufe der Romanhandlung ergeben. Françoise Sagan schreibt auch in „Bonjour Tristesse“ über die Liebe zwischen einem Mann und zwei Frauen.

Es geht darin um den Vater der Erzählerin, Raymond, der zu Beginn mit Elsa an den Strand im Süden Frankreichs fährt und ein Haus am Meer bewohnt. Doch dann kommt Anne aus Paris in den Süden und stört die sommerliche Idylle. Anne möchte, dass die Tochter Cécile für ihr Examen lernt und der Vater sein Leben in den Griff nimmt. Sie möchte Ordnung in das Leben von Raymond und Cécile bringen und den Affären des Vaters ein Ende setzen. Denn bisher hatte außer der Tochter keine Frau eine wirkliche Bedeutung für den Vater. So kommt es, dass Raymond Anne schließlich heiraten möchte, da sie einen solchen Einfluss auf ihn nimmt. Elsa ist nun vergessen und hat das Ferienhaus auch schon längst verlassen.

Seine Tochter, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, sieht diese Entwicklung mit großer Skepsis und auch ein wenig Enttäuschung, da sie das vorherige lockere Leben und das Leben mit Elsa eigentlich gut fand. Sie nimmt die Dinge in die Hand und bittet ihren Geliebten Cyril sowie Elsa, sich in Gegenwart ihres Vaters und Annes so zu zeigen, als wären sie verliebt. Der Vater soll denken, dass Elsa mit Cyril einen neuen Partner gefunden habe, mit dem sie glücklich sei, damit die Eifersucht zu keimen beginnt. Dieser Plan scheint Cécile genau der richtige zu sein, um dem in Liebesdingen besitzsüchtigen Raymond beizukommen.

Und so zeigen sich die beiden „Geliebten“ auf dem Boot, im Wald und am Strand – und langsam merkt Raymond, dass Elsa auch ohne ihn glücklich sein kann. Was für eine Erniedrigung! Der Vater ist nun hin- und hergerissen zwischen Elsa und Anne und es versteht sich von selbst, dass dieses Dreiecks-Verhältnis zu einem bösen Ende führt, zu dem auf seltsame Weise indirekt auch Cyril und dessen eigentliche Geliebte Cécile gehören, die weiterhin zusammen sind und sich treffen. Der Roman endet mit einem Autounfall, doch die genaueren Umstände sollen hier nicht verraten werden.

In „Bonjour Tristesse“ geht es auch um den Kampf zwischen Bourgeoise und Bohème, denn Anne verkörpert die bürgerliche Werteordnung, während Raymond und seine Tochter eher ein freiheitlich-künstlerisches Lebensverständnis ausleben. Beide Welten treffen aufeinander, sind voneinander fasziniert, gehen eine Zeitlang eine Symbiose ein, profitieren voneinander und machen Pläne für die Zukunft. Und doch ist das zwischen Anne und Cécile auch Abneigung, Unverständnis, Ignoranz und der Wunsch, möglichst schnell wieder die bourgeoise Enge zu verlassen, um in die alte Freiheit zurückzufinden und unabhängig von Werten wie Ordnung, Leistung und Effizienz zu werden.

Auch Françoise Sagan selbst lebte das Leben gern auf der Überholspur. Sie hatte einen raschen Durchbruch mit 18 Jahren (200.000 verkaufte Exemplare von „Bonjour Tristesse“) und lebte auch ein rasches Leben. 1957 hatte sie selbst einen Autounfall. Im Anschluss daran ist sie knapp dem Tod entkommen und muss schwere Schmerzmittel nehmen. Sie kämpfte mit einer Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sie mochte große Autos und das Glücksspiel und machte dabei Schulden, die sie nicht alle bezahlen konnte.

Ein Leben mit Vollgas also. Mehr als 40 Romane, Theaterstücke, Drehbücher verfasste sie insgesamt, mit einer strengen Disziplin, die sie bis ins Alter beibehielt – trotz aller Exzesse und schlechter Gesundheit. Nach „Bonjour Tristesse“, das nach einer Zeile aus dem Gedicht „A peine défigurée“ von Paul Éluard benannt ist, folgten „Un certain sourire“ und „Aimez-vous Brahms?“. Ihre Romane wurden in hohen Auflagen verkauft, übersetzt und verfilmt. Die späteren Bücher allerdings erhielten etwas weniger Aufmerksamkeit. Ihr Erfolgsrezept war die Mischung aus Melancholie, Eleganz, Glamour und Liebesintrigen, das sie immer wieder neu interpretierte.

Auch heute lohnt es sich noch, „Bonjour Tristesse“ zu lesen. Denn dieses Sommerbuch entführt einen für ein paar Tage an die französische Côte-d’Azur in eine andere Schicht, mit anderen Werten und anderen Gedanken. Man hebt ein wenig ab, wenn man dieses Buch liest, und erkundet andere Sphären – irgendwo zwischen Amour, Savoir-vivre und Melancholie sowie ein wenig Jalousie (Eifersucht). Das französisch-sommerliche Gefühl, gemischt mit einem Liebesdreieck, hat etwas Betörendes und trägt über die etwas mehr als 100 Seiten des Romanes, der in großartiger, wirklich hervorragender Weise von Rainer Moritz übersetzt wurde.

Nur das Nachwort von Sibylle Berg hat mir nicht gefallen, da sie „Bonjour Tristesse“ zum Anlass nimmt, eine feministische Kampfschrift zu verfassen, in der Männer die Bösen sind und Frauen die Guten. Das war mir dann doch etwas zu simpel – und ich glaube, die Männerfreundin Françoise Sagan hätte das genauso gesehen, ist sie doch mit Blick auf die Männer genauso ausschweifend gewesen wie mit Alkohol, Drogen und Glücksspiel. Emanzipation ist in „Bonjour Tristesse“, da hat Berg allerdings recht, stets noch auf Männer ausgerichtet. Heute würde man emanzipierte Frauen so konstruieren, dass sie auch ohne Männer ein erfülltes Leben führen können, was bei Sagan undenkbar ist. Vielleicht ist das aber nicht eine Frage der Epoche, sondern der Persönlichkeit der Autorin.

In jedem Fall habe ich „Bonjour Tristesse“ sehr gern und mit viel Vergnügen gelesen und kann es jedem mit Interesse an einer sommerlich-leichten Liebesgeschichte zwischen mehreren Personen, die ein wenig melancholisch anmutet, empfehlen.

Bewertung: ⭐⭐⭐⭐⭐ 5/5

Françoise Sagan: Bonjour Tristesse. Aus dem Französischen von Rainer Moritz. Mit einem Nachwort von Sibylle Berg. Ullstein Verlag. 18 €.

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