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„Vernon Subutex“ von Virginie Despentes und Luz

In einem opulenten Comic-Band illustriert der Charlie-Hebdo-Zeichner Luz die Geschichte von Vernon Subutex, die bereits als Roman-Trilogie ein Erfolg war. Die Graphic Novel über einen im Leben scheiternden Plattenverkäufer, der für die Musik lebte und am Neoliberalismus zerbricht, erscheint in zwei Teilen, wobei jeder Teil 300 Seiten umfasst.

Bisher hatte Alex Bleach, ein reicher Rockstar, der schon lange keine neuen Lieder mehr herausgebracht hat, Vernon Subutex‘ Miete bezahlt. Der Plattenladen, den Vernon führt, wirft nicht (mehr) viel Geld ab, seitdem die Leute sich Musik im Internet anhören können, sodass er auf diese Zahlungen angewiesen ist. Doch dann stirbt Alex überraschend an einer Überdosis – und die Überweisungen bleiben aus.

Vernon muss den Plattenladen schließen und sich anders durchschlagen. Ihm droht der soziale Abstieg, da er nicht bereit ist, sich außerhalb des Musikgeschäfts eine andere Arbeit zu suchen. So kommt es, dass er bei Freunden und Bekannten eine Bleibe findet, als der Vermieter ihn aus seiner Pariser Wohnung geschmissen hat, deren Miete er nicht mehr bezahlen konnte.

Nach und nach lernen wir also in der Graphic Novel die „illustren“, alle auf ihre Weise etwas abgedrehten und vom Leben gezeichneten Bekannten Vernons kennen, die ihn für einige Tage bei sich aufnehmen, ehe er wieder weiterzieht. Doch schon bald beginnt eine Art Jagd auf Vernon, der er sich, ohne es zu wissen, entzieht. Denn Vernon besitzt Videokassetten mit Aufnahmen des kürzlich verstorbenen Stars Alex Bleach – sein letzter Trumph.

Als ein Fernsehproduzent von diesen Aufnahmen erfährt, setzt er die „Hyäne“ auf Vernon an, eine nicht sonderlich sympathische Person, die Aufträge von reichen Parisern entgegennimmt und diese effizient ausführt. Ein Freund, bei dem Vernon übernachtet hat, ist ebenfalls an den Videokassetten interessiert, da er hofft, damit seine ins Stocken geratene Dokumentar-Filmkarriere wieder in Gang bringen zu können. Außerdem interessiert sich eine junge ehrgeizige Journalistin für die Bände.

Und nicht zuletzt jagt eine fallen gelassene Geliebte namens Sylvie hinter Vernon her, da sie sich nicht nur digital, sondern auch sehr real an ihm dafür rächen will, dass er bei ihr Wertgegenstände gestohlen hat. Vernon scheint in diesem Spiel derjenige zu sein, der am gelassensten bleibt und am wenigsten zu verlieren hat. Er erlebt einen konstanten sozialen Niedergang, vom Plattenladenbesitzer über den Besetzer fremder Sofas bis hin zum Obdachlosen.

Doch der vom neoliberalen Wirtschaftssystem Ausgeworfene, von der Globalisierung Übergangene scheint sich weder für sein Schicksal zu schämen noch dagegen ankämpfen zu wollen, vielmehr fügt er sich in das ihm zugefallene Los. Ein Phlegmatiker also, der am Schluss damit zufrieden ist, wenn er jeden Tag auf derselben Parkbank sitzen kann, mit Blick auf ganz Paris. Doch dann kommt das große Finale – und alle stürzen sich auf Vernon, den sie auch mithilfe des Internets wiedergefunden haben.

Diese Graphic Novel von Luz und Virginie Despentes ist eine wahre Ausnahmeerscheinung und ein Kleinod in der Comic-Landschaft, nicht nur wegen des beeindruckenden Umfangs, der einem einige Stunden und Tage der Lektüre beschert, sondern auch wegen der gekonnten Strichführung und der gewagten Farbgebung, die sich nicht an Konventionen hält. Hier wurde alles getan, um ein Werk außerhalb des Comic-Mainstreams zu schaffen – und es gelang!

Mir hat „Vernon Subutex“ sehr gut gefallen, sowohl wegen der Geschichte, die sich gegen die Ideale der Leistungsgesellschaft richtet, als auch wegen der poppigen und ausgefallenen Art der Zeichnung und Malerei in bunten und sehr vielfältigen Farben. Jede Figur scheint eine eigene Farbgebung zu haben, und auch der Hintergrund ist mit viel Liebe gestaltet, sodass der Illustrator wirklich an jedes Detail gedacht hat.

Nur zwischendurch hat die Geschichte einen kleinen „Durchhänger“, als Vernon von einem Freund zum nächsten wandert und man sich fragt, wann die Handlung wieder Fahrt aufnimmt. Doch dann beginnt die „Jagd“ verschiedener Akteure auf Vernon Subutex und seine Kassetten und damit die eigentliche Handlung, die Spannung mit sich bringt. Ein gelungener Wurf. Auf den zweiten Teil, der bisher nur auf Französisch vorliegt, darf man sich freuen.

Dank auch an die wunderbare und authentische Übersetzung an Claudia Steinitz und Lilian Pithan, die auch den teils umgangssprachlichen und vulgären Wortschatz nicht sonderbar wiedergeben.

Bewertung: ⭐⭐⭐⭐⭐ 5/5

Luz/Despentes: Vernon Subutex. Teil 1. Berlin: Reprodukt. 39 €.

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