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„Montaignes Katze“ von Nils Minkmar

Nils Minkmar legt mit „Montaignes Katze“ einen Roman über Montaigne als Politiker und Diplomaten vor, der zwischen den Parteien vermittelt. Damit ergänzt er das Bild von Michel de Montaigne, der vor allem als Philosoph und Autor der „Essais“ bekannt ist, aber auch als Bürgermeister von Bordeaux und auf der politischen Bühne tätig war.

Zu Beginn des Buches finden wir Montaigne mit seiner Frau Françoise und seiner Tochter Léonore im Schloss in der Nähe von Bordeaux vor. Doch die nächtliche familiäre Atmosphäre wird gestört von einem Grison, der aus Paris geschickt wurde, um Montaigne eine besondere Botschaft mitzuteilen: Er soll mit seiner Frau in geheimer diplomatischer Mission nach Paris reisen, um zwischen den Lagern zu vermitteln.

Denn es herrscht Uneinigkeit darüber, wie die Thronfolge der französischen Monarchie geregelt wird. Montaigne und seine Zeitgenossen leben in einer unsicheren und äußerst bewegten Epoche, die sich auszeichnet durch Religionskriege und kämpferische Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Liga, angeführt durch Henri de Guise, und den Hugenotten, wie die Protestanten in Frankreich heißen. In der Bartholomäusnacht am 24. August 1572 wurden Tausende von Hugenotten ermordert und die Religionskriege scheinen unter dem gegenwärtigen Herrscher Henri III. kein Ende zu nehmen.

Doch da Henri III. schwach ist, stellt sich in Paris bereits die Frage, wer ihn beerben wird. Selbst die Königinmutter Catherine de‘ Medici sorgt sich um die Thronfolge. Zur Auswahl stehen mehrere „Kandidaten“: Da wäre erstens der Anführer der katholischen Liga Henri de Guise, der mit seiner Frau zahlreiche Wohltaten vollbringt und deshalb in Paris beliebt ist und der sich selbst bereits als nächster König sieht. Zweitens gäbe es noch Henri de Navarre, den protestantischen Herrscher von Navarra, der nach salischem Recht die Thronfolge antreten müsste, da Henri III. selbst keine Kinder hat.

Während Henri III. sich mit seinen „Mignons“, wie seine Berater heißen, vergnügt, die er um sich versammelt hat, und es nicht vermag, den Kriegen ein Ende zu setzen, fragt sich der Hofstaat, wie der nächste König die Religionskriege unter Kontrolle bekommen will. Würde ein protestantischer König wie Henri de Navarre nicht die religiösen Animositäten noch anheizen anstatt sie zu beenden? Ein politisch erfahrener und gebildeter Mann, der von außen kommt, soll Ordnung in die verfahrene Situation bei Hofe bringen – und dieser Mann ist Montaigne.

Montaigne wird also im Geheimen nach Paris beordert, um mit den verschiedenen Parteien zu reden, sich ein Bild der Lage zu machen – und schließlich mit ordnender Hand in die Thronfolge einzugreifen. Wir lernen den Philosophen hier von einer ganz neuen Seite kennen, auch wenn er auch als Politiker seine philosophische und bedachte Seite nicht verbergen kann. In Paris spricht Montaigne mit Henri de Guise, mit dem König, mit einem „Mignon“ und fährt mit seiner Frau zu dem schauerlichen Foltergefängnis Montfaucon.

In einem Gespräch eröffnet ihm die Königinmutter Catherine de‘ Medici, wie sie sich das weitere Vorgehen vorstellt – und tatsächlich wird es kommen, wie sie sagt. Die Geschichte gab ihr recht. Denn sie rät Montaigne, Henri III. de Navarre zum Herrscher zu machen, ihn aber zuvor davon zu überzeugen, dass er vom Protestantismus zum Katholizismus übertreten sollte, um nicht mit der französischen Tradition zu brechen und die religiösen Verwerfungen nicht noch mehr anzuheizen.

Der Höhepunkt von „Montaignes Katze“ ist zweifelsohne das Treffen der Familie Montaigne und des Hofstaats von Henri de Navarre, des späteren Henri IV., auf Schloss Montaigne. Man speist zunächst in geselliger Runde zusammen, darunter auch aus Afrika herbeigeschiffte Melonen, obwohl es eigentlich Winter ist. (Es war eine fixe Idee Montaignes, dass die Melonen dem Treffen eine positive Wendung geben werden.) Daraufhin geht es in den Bibliotheksturm Montaignes und schließlich auf die Jagd, wo Montaigne und Henri de Navarre ein ernstes und offenes Gespräch miteinander führen.

Wird hier der zukünftige Herrscher von Frankreich auf den richtigen Pfad gebracht? Vielleicht hat Montaigne, falls die Darstellung in „Montaignes Katze“ überhaupt der geschichtlichen Wahrheit entspricht, einen kleinen Beitrag dazu geleistet. Ohnehin fragt man sich im Laufe des Romans immer wieder, wo die Fiktion endet und wo die historische Wirklichkeit anfängt. Eine Antwort darauf bleibt der Autor, vermutlich mit Absicht – und zu Recht -, schuldig.

In einem gut, aber langsam zu lesenden, von Fachwissen, Recherche und Kenntnis zeugenden Buch schreibt Nils Minkmar über eine Epoche in Frankreich, die wahrhaft begeistern kann, da sowohl die politische als auch die religiöse Unruhe für große Umwälzungen in der Gesellschaft sorgten und paradoxerweise mit großartigen kulturellen Errungenschaften wie den „Essais“ Michel de Montaignes einhergingen.

So liest sich Minkmars „Montaignes Katze“ wie ein Roman über Montaigne als Vermittler, Diplomat und Politiker, aber auch als Gelehrter, Philosoph und Schriftsteller, der den Auftrag hat, zwischen den Fronten hin und her zu wechseln und zu vermitteln. Wir reisen mit Montaigne von seinem kleinen Turm nahe bei Bordeaux nach Paris und erleben dort die verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungen und Orte des Geschehens aus erster Hand mit. Damit ist „Montaignes Katze“ nicht nur ein Polit-, Bildungs- und Historien-, sondern auch ein Reiseroman.

Nur manchmal wird es ein wenig schwierig, den Überblick zu behalten, wenn der Erzähler zu viele Personen zugleich auf die Bühne holt und nebeneinander auftreten lässt. Man kommt bisweilen mit den französischen Namen durcheinander, so dass man mitunter gut aufpassen muss bei der Lektüre.

Doch keine Angst, das Buch lässt sich trotz dieser Einschränkung gut lesen, denn es ist lebhaft geschrieben, mit vielen Dialogen, schönen Beschreibungen und einer Liebe für die „Essais“ und Michel de Montaigne sowie die Epoche, in der die Handlung spielt. Das kann man auch an dem fachkundigen Hintergrundwissen (zum Beispiel mit Bezug auf die Kleidung der Epoche) erkennen.

Auch wenn es ein Buch ist, das nicht spannend ist, sondern langsam gelesen werden muss, kann ich es empfehlen. In dieser Hinsicht gleicht es den „Essais“ von Montaigne. Wer sich also für die Renaissance, Religion, Politik und Geschichte in unserem Nachbarland interessiert, liegt mit diesem Roman richtig.

Bewertung: ⭐⭐⭐⭐ 4/5

Nils Minkmar: Montaignes Katze. S. Fischer Verlage. 26 €.

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