Robert Seethalers erfolgreichste Buch war „Der Trafikant“, das auch verfilmt wurde. Auch sein neues Buch spielt wieder in der österreichischen Hauptstadt. Darin folgen wir dem zu Beginn 33-jährigen Robert Simon, der in der Nachkriegszeit ein Café eröffnet, ein Café ohne Namen, da ihm keiner einfallen will. Auf 283 Seiten schreibt Seethaler über diesen Robert Simon, der die gleichen Initialen und denselben Vornamen wie der Autor des Textes trägt, und dessen Café.
Simon, der Protagonist, erlebt den Zweiten Weltkrieg als Kind, ist danach Kriegswaise und hat sicherlich keinen leichten Stand, dennoch trägt er sein Schicksal mit Fassung. Er zieht in Wien bei einer Kriegerwitwe zur Miete ein und baut ein eigenes Café in dem Viertel Leopoldstadt auf, direkt neben einem Markt, der immer sehr belebt ist.
Der österreichische Schriftsteller Seethaler, der schon den ein oder anderen Bestseller geschrieben hat, aber mit dem Literaturbetrieb nicht viel zu tun haben möchte, kommt aus einfachen Verhältnissen. Seine Mutter war Sekretärin, sein Vater Schlosser. Diese Verwurzelung und Bodenständigkeit merkt man dem Schreiben des Autors an, denn Seethaler hält sich an das Konkrete, Fassbare, er konzentriert sich auf einfache Menschen, deren Leben er nebeneinander stellt und verbindet. So erleben wir, wer in dem Café ein und aus geht. Ein Tableau von mehr oder weniger vom Krieg geprägten Personen tut sich auf, da gibt es einen Boxer und seine Geliebte, eine Malerin, den Fleischer und seine Frau, eine kurzzeitige Geliebte des Café-Besitzers Robert Simon, die Drogen- bzw. Medikamentenprobleme hat, und natürlich die Bedienung Mila, die wir schon ganz zu Beginn kennenlernen.
Das Café von Robert Simon ist ebenfalls ein bodenständiges Café: Es gibt Schmalzbrot, Himbeersoda, Bier und Kaffee und im Winter einen Punsch, der gut ankommt und der nach einem Rezept der Kriegerwitwe gebraut wird. Das Leben ist bei Seethaler ein ewiges Vorwärts und zugleich ein Auf und Ab. Seine Figuren werden in einer Art Feld nebeneinander gestellt. Wir erleben eine Vielzahl von Leben, die parallel verlaufen. Beinahe zu viel, denn manchmal wird es schwer, über den Verlauf des Buches, bei den wechselnden Namen und Kapiteln noch den Überblick zu behalten, wer wer ist. Besonders ans Herz gewachsen sind mir Robert Simon und Mila, seine Angestellte, die beide herzensgute Menschen sind.
Am Ende des Buches kümmert sich der Café-Eigentümer, als sein Café nach Jahrzehnten wieder schließen muss, um die kranke Kriegerwitwe. Und auch vorher kümmert er sich sehr viel um andere Menschen und vergisst darüber manchmal sich selbst. Mila ist ebenfalls vor allem für andere da, sie bedient, nachdem sie am Anfang arbeitslos war und händeringend nach Arbeit suchte. Die Figuren von Robert Seethaler sind eingängig, fast typenhaft, aber nicht holzschnitzartig.
Wenn man es negativ ausdrücken möchte, könnte man sagen, sie bleiben nur an der Oberfläche, haben keinen Tiefgang. Freilich, Seethaler nimmt sich in diesem Roman zu viele Figuren vor und kann deshalb immer nur das Nötigste über jede Figur preisgeben. Es geht deshalb vor allem um das Geschehen und weniger um das Innenleben der Charaktere. Das heißt aber nicht, dass die Charaktere charakterlos bleiben.
Doch dieser vermeintliche Makel, die Oberflächlichkeit, macht auch den Reiz des Buches aus, und ist ein Grund dafür, warum es sich so gut liest. Man liest dieses Buch schnell, fast zu schnell, sodass am Ende nur einzelne Erinnerungsfetzen bleiben. Es ist ein wirklicher Bestseller, geschrieben als Bestseller, nicht mehr, nicht weniger.
Bewertung: ⭐⭐⭐⭐ 4/5
Robert Seethaler: Das Café ohne Namen. claassen Verlag. 24 €.
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