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„Simone de Beauvoir – Ich möchte vom Leben alles“ von Julia Korbik und Julia Bernhard

Julia Korbik veröffentlichte 2017 eine Biographie über Simone de Beauvoir („Oh, Simone“), nachdem sie sich lange intensiv mit deren Werk befasst hatte. Nun ist in einer Zusammenarbeit der Autorin Korbik und der Illustratorin Julia Bernhard eine wunderbare Graphic Novel über das Leben der Existenzialistin und Feministin Simone de Beauvoir entstanden, die jede und jeder mit Interesse an ihrer Person lesen sollte.

Simone de Beauvoir ist eine faszinierende Person, die in dieser Graphic Novel von einer Autorin in ihrer Pariser Wohnung in der Rue Victor Schoelcher besucht wird. Die amerikanische Schriftstellerin, Deirdre Bair, will sie 1981 nach ihrem Leben befragen, so wie sie das bereits mit Samuel Beckett getan hat, dessen Biographie sie ebenfalls verfasste. Dieses Interview, verortet im mit Bildern von Jean-Paul Sartre und exotischen Masken dekorierten Appartement de Beauvoirs, umrahmt die eigentliche Handlung der Graphic Novel – das Leben de Beauvoirs von ihrer Kindheit bis 1971.

Simone de Beauvoirs Vater hatte in die falschen Aktien investiert und so wuchs sie in vermeintlich „ärmeren“, aber immer noch bürgerlichen Verhältnissen auf. Klar war nun, dass der Vater keine Mitgift bezahlen konnte und seine beiden Töchter daher später einen Beruf ergreifen mussten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Simone wollte ohnehin nicht das in ihren Augen eintönige Leben einer Hausfrau und Mutter führen, sondern Bücher schreiben und „unsterblich werden“.

Ihre Freundin Zaza kommt aus ungleich betuchteren und konservativeren Verhältnissen. Für sie ist nichts anderes als eine Heirat vorgesehen. Und doch entspannt sich zwischen Zaza und Simone de Beauvoir ein intimes Verhältnis, das etwas mehr ist als nur eine Frauenfreundschaft. Diese Freundschaft, die nie sein durfte, wird in dem Roman „Die Unzertrennlichen“ (2021, Rowohlt, frz. als „Les inséparables“) beschrieben. Als de Beauvoir das Manuskript Jean-Paul Sartre zeigte, fand dieser es zu intim für eine Veröffentlichung. Es blieb daher unveröffentlicht. Fast 70 Jahre später wurde der Roman durch de Beauvoirs Adoptivtochter Sylvie Le Bon de Beauvoir freigegeben.

Das Verhältnis zwischen Zaza und Simone klingt in der Graphic Novel von Korbik/Bernhard sachte an, man erfährt, dass Zaza einen Mann heiraten musste, der nicht der Mann war, den sie liebte, und schließlich daran zerbrach. Und auch die späteren Frauenbekanntschaften de Beauvoirs, über die sie nie sprechen wollte, auch nicht mit ihrer Interviewerin Deirdre, werden thematisiert. Doch vor allem geht es um das Verhältnis zwischen de Beauvoir und Sartre.

Jenem Sartre, den de Beauvoir kennenlernt, als er sich während der Vorbereitung auf die Abschlussprüfung, die agrégation, für sie interessiert und ihr Briefe zukommen lässt. Jenem Sartre, der bei der Abschlussprüfung für Philosophie auf dem ersten Platz landet, während sie den zweiten Platz belegt. Die Prüfer/innen, so hört man, waren sich uneins, welcher der beiden den ersten, wer den zweiten Platz verdient hätte. Und so entsteht zwischen Sartre und de Beauvoir, die sich auch intellektuell das Wasser reichen können, ein untrennbares Band, das bis an ihr Lebensende halten sollte.

Sie schließen einen Pakt, der von Sartre ausgeht und darin besteht, dass sie sich immer treu bleiben werden, auch wenn sie sich eine Zeitlang nicht sehen sollten oder hin und wieder körperliche Abenteuer mit anderen eingehen sollten. De Beauvoir ließ sich auf den Pakt ein, schließlich war auch sie auf ihre Freiheit bedacht. Sie würden auch nie zusammenleben, sondern immer in zwei getrennten Wohnungen, so wie es sich für zwei autonome Intellektuelle gehört, die ihren Frei- und ihren Denkraum behalten möchten, die bisweilen in ihren Kreisen nicht gestört werden möchten.

Mit dem Erscheinen von „Le deuxième sexe“ („Das andere Geschlecht“) wird Simone de Beauvoir berühmt, so berühmt, dass Jean-Paul Sartre beinahe ein wenig eifersüchtig ist, der aber seinerseits durch seine existenzialistischen Werke Aufmerksamkeit erhält. Beide sind nun in Frankreich gefragte und respektierte Philosoph/innen, die auch engagierte Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften schreiben, um sich politisch für bestimmte Belange einzusetzen. Im Fall de Beauvoirs sind dies zum Beispiel die Gleichstellung von Frau und Mann und das Recht auf Abtreibung.

Der Kampf für Letzteres erhält gegen Ende der Graphic Novel ein eigenes Kapitel, in dem es darum geht, wie in Frankreich für die Legalisierung der Abtreibung gestritten wurde, sei es durch Demonstrationen oder vor Gericht. Wir erleben das Gerichtsurteil der Marie-Claire Chevalier im Jahr 1972 mit, die durch eine Vergewaltigung schwanger wurde und danach abgetrieben hat. Die Angeklagte wird letztlich freigesprochen, und auch ihre Mutter wird nicht wegen Beihilfe zur Abtreibung verurteilt. 1974 schließlich wird Abtreibung im französischen Parlament legalisiert.

Damit endet die Graphic Novel, doch der Kampf, den Simone de Beauvoir begonnen hat, ist noch längst nicht abgeschlossen.

Lest dieses Buch, wenn ihr euch für spannende Biographien interessanter Persönlichkeiten begeistert! Auch allen mit Interesse an der Philosophie Sartres und de Beauvoirs und feministischer Politik kann ich das Buch empfehlen.

Bewertung: ⭐⭐⭐⭐⭐ 5/5

Julia Korbik/Julia Bernhard: Simone de Beauvoir: Ich möchte vom Leben alles. Graphic Novel. Rowohlt Verlag. 25 €.

Hier noch ein passender Zufallsfund: existenzialistische Comics mit Simone de Beauvoir.

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