Weltlehrertag: 9 Bücher für Lehrerinnen und Lehrer

Am 6. Oktober wird seit 1994 der Weltlehrertag begangen. Dieser erinnert an die „Charta zum Status der Lehrerinnen und Lehrer“, welche 1966 von der UNESCO und der Internationalen Arbeitsorganisation angenommen wurde. Der Weltlehrertag soll uns ein Anlass sein, 9 Bücher für Lehrerinnen und Lehrer vorzustellen, die – oft mit einem Augenzwinkern – aus dem nicht immer ganz einfachen Schulalltag berichten oder ihnen mit Ratschlägen unter die Arme greifen. Viel Freude mit den Büchern!

Norbert Golluch: Das Survivalhandbuch für Lehrer: Entspannt von Ferien zu Ferien.

Katastrophen können sich immer und überall ereignen. Vor allem im Klassenzimmer geht es oft ums schiere Überleben. Dieses Handbuch bereitet jeden Lehrer auf die Extreme des harten Schulalltags vor. Mit der dafür notwendigen Einstellung, der richtigen Ausstattung und einem ungebrochenen Willen wird er fit gemacht für eine Welt voller Gefahren:
Ob sieben Nächte unter Wilden (aka Klassenfahrt), der Elternbesuch des Grauens, pubertierende Zombies oder die obligatorischen Rangfolgenkämpfe im Lehrerzimmer – Geistesgegenwart und Kampfgeist können jedem Pädagogen das Leben retten.
Ein unerlässlicher Ratgeber für Referendare und Profis. Garantiert vorurteilsbehaftet, subjektiv und pädagogisch zweifelhaft!

Riva Verlag. 96 Seiten. 9,99 €

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30 Jahre Deutsche Einheit: 17 Bücher zur Wiedervereinigung

Am 3. Oktober feiert Deutschland 30 Jahre Wiedervereinigung. 41 Jahre lang, von 1949 bis 1990, war das Land in die DDR und in die BRD geteilt. Und bis heute macht sich die Teilung bemerkmar. Wir stellen 17 Bücher – sowohl neue und ältere Romane als auch Sachbücher – vor, die sich mit dem Thema West und Ost und Wiedervereinigung auseinandersetzen. Viel Freude mit den Büchern!

Aktuelle Romane

Lutz Seiler: Stern 111.

Zwei Tage nach dem Fall der Mauer verlassen Inge und Walter Bischoff ihr altes Leben – die Wohnung, den Garten, ihre Arbeit und das Land. Ihre Reise führt die beiden Fünfzigjährigen weit hinaus: Über Notaufnahmelager und Durchgangswohnheime folgen sie einem lange gehegten Traum, einem »Lebensgeheimnis«, von dem selbst ihr Sohn Carl nichts weiß. Carl wiederum, der den Auftrag verweigert, das elterliche Erbe zu übernehmen, flieht nach Berlin. Er lebt auf der Straße, bis er in den Kreis des »klugen Rudels« aufgenommen wird, einer Gruppe junger Frauen und Männer, die dunkle Geschäfte, einen Guerillakampf um leerstehende Häuser und die Kellerkneipe Assel betreibt. Im U-Boot der Assel schlingert Carl durch das archaische Chaos der Nachwendezeit, immer in der Hoffnung, Effi wiederzusehen, »die einzige Frau, in die er je verliebt gewesen war«.
Ein Panorama der ersten Nachwendejahre in Ost und West, ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse.

Suhrkamp Verlag. 528 Seiten. 24 €

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„Herzfaden“ von Thomas Hettche

Thomas Hettche: Herzfaden. Kiepenheuer & Witsch.

Feste Größen der TV-Kinderunterhaltung haben es an sich, dass der Zauber, den man als Kind beim Zusehen verspürte, auch im Erwachsenenalter nicht gänzlich verloren geht. Da gibt es Urgesteine wie die Sendung mit der Maus, Michel aus Lönneberga, Pippi Langstrumpf, tschechische Märchenverfilmungen, Disney-Filme oder aber auch die Augsburger Puppenkiste. Über das Augsburger Puppentheater hat der Schriftsteller Thomas Hettche im September einen Roman veröffentlicht, der von eben diesem Zauber zehrt.

Die Handlung des Romans spielt auf zwei verschiedenen Zeitebenen: eine Handlung in der Vergangenheit, die etwa zu Beginn des Zweiten Weltkrieges einsetzt, und eine Handlung in der rezenteren Gegenwart. Auf der einen Seite ist es ein fantastisches Märchen, in dem die Puppen der Augsburger Puppenkiste, allesamt geschnitzt von Hannelore Öhmichen, genannt Hatü, zum Leben erweckt werden. Auf der anderen Seite finden wir ein Geschichtswerk vor, in dem man die Anfänge der Puppenkiste von 1939 bis zu Beginn der 1950er Jahre kennenlernt und das zwangsweise auch die Grauen des NS-Regimes, die Shoah, den Krieg und die Wirren der Nachkriegszeit nicht ausspart. Aufgrund der geschichtlichen Episoden ist der Roman trotz des Gegenstands Augsburger Puppenkiste eher kein Kinder-, allenfalls ein Jugendroman.

In der Gegenwart schleicht sich ein namenlos bleibendes, zwölfjähriges Mädchen, die Protagonistin dieser Handlungsebene, im Anschluss an eine Theatervorführung durch eine lang verschlossen gebliebene Holztür über eine Wendeltreppe hinauf auf einen geheimnisvollen Dachboden. Dort oben schrumpft das Mädchen auf die Größe einer Marionette zusammen und trifft auf eine Vielzahl von lebendig werdenden und sprechenden Marionetten der Puppenkiste. Begrüßt wird sie von der eleganten Prinzessin Li Si aus dem Stück „Jim Knopf“, daraufhin kommt ein Storch hinzu sowie die eigentlich schon 2003 verstorbene Hannelore Oehmichen, die das Puppentheater mitgründete und später leitete. Sie scheint die Chefin der zahllosen Marionetten auf dem Dachboden zu sein.

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Aus dem Lyrikkabinett: „Brache“ von Dilek Mayatürk

Dilek Mayatürk: Brache. Gedichte. Hanser Berlin.

Dilek Mayatürk (1986 in Istanbul geboren) studierte in Istanbul und Klagenfurt Soziologie. Sie arbeitete als Dokumentarfilmerin und -produzentin unter anderem für TRT, IZ TV und die BBC. Spätestens 2010, als sie in der Türkei den Cahit Sıtkı Tarancı-Preis erhielt, war sie dort als Lyrikerin eine Größe. 2014 erschien dort ihr erster Lyrikband „Cesaret Koleksiyonu“ (deutsch: „Mutsammlung“). Für ihre Dichtung wurde sie in der Türkei mehrfach ausgezeichnet. Vor Kurzem erschien Dilek Mayatürks zweiter Lyrikband „Brache“ in einer zweisprachigen türkisch-deutschen Ausgabe bei Hanser Berlin.

Vom Lyrikband „Brache“ handelt diese Rezension. Mayatürk, die seit 2017 mit dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten Deniz Yücel verheiratet ist, verfasst ihre Gedichte auf Türkisch. Dazu muss ich vorausschicken, dass ich in dieser zweisprachigen Ausgabe jeweils nur die ins Deutsche übertragene Version gelesen habe, da ich des Türkischen leider nicht mächtig bin. So geht sicher etwas verloren…

Eine Brache ist ein Stück brachliegendes, nicht bewirtschaftetes Land.

Von der Erde einer Brache erntet man zuerst Geduld,
Danach Verlangen
Und zuletzt seufzt man und flucht.

Ernte

So die Lehre in dem Gedicht „Ernte“, das zusammen mit dem Poem „Brache“ etwa in der Mitte des Bandes steht. Seufzen, aber vor allem Leiden und Schmerzempfinden sind neben der immer wieder aufscheinenden hoffnungsvollen Liebe und Sehnsucht die vorherrschenden Empfindungen in diesem etwas über 100-seitigen Gedichtband.

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Buchpreise im Herbst: Ein Überblick

Deutscher Buchpreis 2020.

Im Herbst steht alljährlich die Vergabe einer Reihe von Buchpreisen an. Da gibt es den Wilhelm Raabe-Literaturpreis (Preisverleihung: 23. September 2020), den Deutschen Buchpreis (12. Oktober), den Österreichischen Buchpreis (9. November 2020) und die Hotlist der besten Bücher aus unabhängigen Verlagen (6. Oktober)

Am 23. September wurde bereits der mit 30.000 Euro dotierte Wilhelm Raabe-Literaturpreis, gestiftet von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk, an Christine Wunnicke für ihren Roman Die Dame mit der bemalten Hand (Berenberg Verlag) vergeben. Die übrigen Preisverleihungen werden folgen.

Dieser Artikel möchte eine Übersicht über die Shortlist des Deutschen Buchpreises und die Hotlist bieten, indem die nominierten Werke mit Bild, Klappentext und bibliographischen Angaben vorgestellt werden. Dazu werden Rezensionen verlinkt. Zuletzt wird die Longlist des Österreichischen Buchpreises präsentiert.

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Geflüchtete erzählen: „Ich bin mehr.“

Ich bin mehr. Junge Geflüchtete erzählen.
homunculus Verlag.

„Ich bin Zukaa und das ist meine Geschichte“, „Ich bin Yaman und das ist meine Geschichte“, „Ich bin Arin und das ist meine Geschichte“, „Ich bin Ben und das ist meine Geschichte“, „Ich bin Bennu (…). Dies ist meine Geschichte“. Dass fünf der sieben Gesprächsprotokolle mit jungen Geflüchteten auf diese Weise beginnen, macht die Absicht dieses Buchs deutlich: Hier soll den eingewanderten Personen aus Ländern wie Syrien (drei Gespräche), dem Irak, Somalia, Mali und Ägypten eine Plattform geboten werden, die in der üblichen Medienberichterstattung und in der politischen Auseinandersetzung hinter aufgeladenen Schlagwörtern wie Flüchtlinge und „Flüchtlingskrise“ zu verschwinden drohen.

Die Mission, die Individuen hinter der Masse sichtbar zu machen, ist dem schmalen Werk gelungen. Es entstand aus einem Studienprojekt einer Gruppe Studierender der Evangelischen Hochschule Nürnberg heraus, die dieses Herzensanliegen auch nach Beendigung ihres Studiums fortführten. Die Interviews mit den sieben Protagonistinnen und Protagonisten von „Ich bin mehr“ wurden zwischen 2018 und 2020 geführt und anschließend transkribiert und in eine, so kann man sagen, sachliche und prägnante Sprache gebracht. Jedem Kapitel sind ein paar Seiten mit Informationen zu dem jeweiligen Land und seinen Besonderheiten, der aktuellen politischen Lage, den kulturellen Errungenschaften und der Historie, vorangestellt. Diese landeskundlichen Teile habe ich mit großem Interesse gelesen, da sie eine nicht zu vernachlässigende Ergänzung zu den Interviews darstellen.

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32 schöne Bücher aus unabhängigen Verlagen

Katalog der Kurt-Wolff-Stiftung 2020/21

„Es geht um das Buch!“, heißt es, wenn einmal im Jahr der Katalog der Kurt-Wolff-Stiftung erscheint. Darin präsentieren 65 spannende unabhängige Verlage sich selbst und ihre Programme. Vor Kurzem ist der neue Katalog für das Jahr 2020/21 veröffentlicht worden. Im folgenden Beitrag werde ich euch aus diesem Anlass meine persönliche Auswahl der interessantesten Romane aus unabhängigen Verlagen vorstellen. Die Romane habe ich aus dem Katalog der Kurt-Wolff-Stiftung ausgewählt.

Eine kleine Vorwarnung: Der Artikel könnte etwas länger werden, die Liste ebenfalls. Das liegt aber daran, dass er euch ausreichend Stoff für neues Lesefutter bieten soll und genau denjenigen Büchern Raum geben soll, die in den Buchhandlungen nicht an vorderster Stelle präsentiert werden und die auch im Internet und Feuilleton weniger Aufmerksamkeit erhalten. Jetzt geht es aber los mit der Bücherliste. Viel Freude damit!

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„Frausein“ von Mely Kiyak

Mely Kiyak: Frausein. Hanser.

Der Titel „Frausein“ kann einen in die Irre führen. Wer ein Sachbuch mit dem ausschließlichen Thema Frausein oder einen feministischen Essay in der Tradition von Judith Butler („Das Unbehagen der Geschlechter“) oder Margarete Stokowski („Untenrum frei“) erwartet, wird enttäuscht. Denn „Frausein“ ist vielmehr als das: ein fesselnd geschriebenes Werk über Herkunft, Krankheit, erste Liebe und Partnerschaft, Aufwachsen und Studium als Tochter kurdischer Einwanderer, gesellschaftlichen Aufstieg und den Umgang der Mehrheitsgesellschaft mit den Immigranten und ihren Angehörigen.

Zugleich schreibt die Autorin und ZEIT-Online-Kolumnistin Kiyak, 1976 geboren, selbstverständlich die Episoden und Anekdoten, aus denen sich das Buch zusammensetzt, stets aus der Perspektive der Frau, die sie ist bzw. geworden ist. Zunächst wächst Kiyak als Mädchen eines türkischstämmigen Fabrikarbeiters auf, der mit seiner Frau als Gastarbeiter nach Deutschland kam.

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„Der Krieg der Armen“ von Éric Vuillard

Éric Vuillard: Der Krieg der Armen. Matthes & Seitz.

Éric Vuillard schreibt Erzählungen, in denen er große Momente der Geschichte auf verdichtete und literarische Weise wiedergibt und sie aus einer neuen Perspektive erzählt. In dem mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Werk „Die Tagesordnung“ (2018) tat er das mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten im Jahr 1933, in „14. Juli“ (2019) blickte er aus der Perspektive des Volks auf die französische Revolution.

In „Der Krieg der Armen“ (2020) verfasst Vuillard die anschauliche Geschichte der Volksaufstände und der Reformationsbewegung, wobei er diese an mehreren Orten, in England, Böhmen und Thüringen, und über einen größeren Zeitraum, zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert, verortet. Lebhaft schildert er im Präsens und mit prägnanten Sätzen das Geschehen. Darunter mengen sich bisweilen überraschende Ausrufe wie „Peng!“ oder „Auwei!“ Im Zentrum des Textes stehen die Theologen und Kirchenreformer John Wyclif (England), Jan Hus (Böhmen) und Thomas Müntzer (Thüringen).

Der Philosoph und Theologe John Wyclif (ca. 1330 bis 1384), der bereits im 14. Jahrhundert die Idee von der direkten Beziehung zwischen Mensch und Gott postulierte und die Bibel ins Englische übersetzte, gilt Vuillard als ein Wegbereiter der Reformation und des Kampfes für die Rechte der einfachen Menschen. Auf sein Wirken reagierte Rom mit einer Bulle, die seine abweichenden Ansichten verurteilte. Sein Schüler John Ball predigte die Gleichheit aller Menschen, wurde allerdings verhaftet. 100.000 Bauern fanden sich in England zusammen, um gegen die vom Parlament beschlossene poll tax und die Leibeigenschaft zu rebellieren. Doch ihr Kampf sollte vorerst erfolglos bleiben.

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„Ich bin ein japanischer Schriftsteller“ von Dany Laferrière

Dany Lafferière: Ich bin ein japanischer Schriftsteller. Wunderhorn.

„[A]llen, die gern jemand anderes wären“, ist das neueste ins Deutsche übersetzte Werk von Dany Laferrière, „Ich bin ein japanischer Schriftsteller“, gewidmet. Eine passendere Widmung für dieses rasant erzählte Buch voller Witz und Ironie könnte es kaum geben. Denn das Buch handelt davon, dass ein seit Jahren in Kanada lebender Schriftsteller, der ursprünglich aus Haiti stammt, mit erstaunlichen Ähnlichkeiten zum Autor beschließt, von einem Moment auf den anderen ein japanischer Schriftsteller sein möchte.

Zunächst erklärt der Schriftsteller zu Beginn des Textes seinem Verleger, der Titel seines neuen, noch nicht geschriebenen Buches solle „Ich bin ein japanischer Schriftsteller“ lauten. Der Verleger willigt sofort ein und hält ihm den Vertrag zum Unterschreiben hin. Doch der Buchtitel ist kein bloßes literarisches Spiel. Von nun an möchte der haitianisch-kanadische Autor tatsächlich zum japanischen Schriftsteller werden.

Das ist genau auch meine Methode. Ich erfinde etwas und daran glaube ich.

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