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„Die Ratten im Mäuseberg“ von Léo Malet, Emmanuel Moynot und François Ravard

Léo Malet/Emmanuel Moynot/François Ravard: Die Ratten im Mäuseberg. Schreiber und Leser.

Nach einem 1955 erstmals erschienenen Krimi des Schriftstellers Léo Malet haben der Zeichner François Ravard und der Szenarist Emmanuel Moynot den Comic „Die Ratten im Mäuseberg“ aus der Reihe um den Privatdetektiv Nestor Burma als Comic umgesetzt. Heraus kommt der neunte Fall des Schnüfflers Burma – ein kurzweiliger und unterhaltsamer Band mit überaus überraschendem Ende.

Die Handlung des Bandes spielt im Jahr 1955 im 14. Arrondissement von Paris, wo sich der Park Montsouris befindet, von dem sich der titelgebende „Mäuseberg“ ableitet. Wir werden aus der Sicht des Ich-Erzählers Nestor Burma, eines cleveren Ermittlers, der imstande ist, blitzschnelle Schlüsse zu ziehen und rasch und beherzt zu handeln, mitten in die Geschichte – medias in res – hineingezogen.

An einem heißen Sommerabend möchte sich ein Gauner und alter Kamerad Nestor Burmas aus dem Kriegsgefangenenlager Stalag X B namens Ferrand mit diesem in der Billardkneipe Gergovie im 14. Arrondissement treffen. Das Treffen soll unter außergewöhnlichen Umständen stattfinden: Der Detektiv soll verkleidet als Clochard mit einer Pfeife im Mund auftauchen und so tun, als ob er Ferrand nicht kenne.

Burma lässt sich auf das Spielchen ein, obwohl er es zunächst bloß für eine „Räuberpistole“ hielt. Kaum ist der Detektiv in der Kneipe angekommen, möchte Ferrand ihn für einen nicht auszuschlagenden Coup gewinnen, der angeblich Millionen einbringen werde. Außerdem gesteht Ferrand ihm bei sich zuhause, dass er Teil einer Diebesbande namens die Ratten vom Mäuseberg sei, die im Viertel ihr Unwesen treibe.

Léo Malets Roman „Die Ratten im Mäuseberg“ (Rowohlt, 1993)

Doch kurz nachdem der Detektiv die heruntergekommene Wohnung des Gauners verlassen hat, hört er einen lauten Schrei. Er macht kehrt. Im Gang kommt ihm eine Dame entgegen, die es höchst eilig hat. Daraufhin findet er seinen ehemaligen Kameraden tot in einer Blutlache vor sich liegend. Ferrand ist ermordet worden. Den Millionencoup kann Burma nun vergessen, doch er beschließt seinen Freund zu rächen. Er nimmt die Ermittlungen auf.

Am selben Tag hatte auch ein Herr Gaudebert den Detektiv kontaktiert, ebenfalls aus dem 14. Arrondissement, um dessen detektivische Fähigkeiten in Anspruch zu nehmen. Denn Gaudebert hat einen Erpresserbrief von einem Monsieur Ferrand erhalten, in dem 250.000 Franc gefordert wurden. Der Erpresste ist nicht ganz ohne Makel: Er hat sich unter der deutschen Besatzung einen Ruf als gnadenloser Oberstaatsanwalt erworben, der ihm den Spitznamen „Monsieur Rübe ab“ einbrachte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges durfte er, der ehemalige Kollaborateur, nicht weiter arbeiten, sodass er nun in finanziellen Engpässen steckt.

Neben Ferrand und Gaudebert sowie dessen Ehefrau treten noch weitere Figuren auf: Da gibt es die nymphomane Ehefrau eines Kunstmalers, Marie Courtenay, die mit allerlei verschiedenen Männern von ihrem Ehemann tolerierte Affären am Laufen hat. Dazu kommt der Psychiater Dr. Dalaruc, in dessen Behandlung sich ein Totgeglaubter befindet. Auch ein verbrecherischer Korse hat seine Finger mit im Spiel.

Der Kriminalfall ist spannend und beste Unterhaltungsliteratur. Das gilt wohl für das Original in Romanform von Léo Malet genauso wie für die Comic-Adaptation. Man folgt gerne den Ermittlungen des sympathischen Privatdetektivs Nestor Burma. Der Comic ist souverän gezeichnet und hervorragend umgesetzt – mit schönen und klar gezeichneten Bildern, in einer wohl durchdachten Farbgebung von
Philippe de la Fuente und in einer guten Übersetzung aus dem Französischen von Resel Rebiersch.

Nur gegen Ende entwickelt sich die Geschichte so rasant, dass man die raschen Wendungen und die findigen Schlussfolgerungen des Detektivs mehrmals lesen muss, um die Auflösung des Falls völlig zu erfassen. Ein paar mehr Seiten, Bilder und Sprechblasen hätten der Auflösung gut getan.

Was besonders positiv auffällt, ist der Lokalkolorit des Bandes. Straßen, Plätze, Parks und andere Schauplätze des 14. Arrondissements von Paris spielen in diesem Krimi eine wesentliche Rolle, die der der Figuren fast gleichkommt. Hier macht sich bemerkbar, dass Léo Malet während einer Zeit seines Lebens selbst in dem Viertel gewohnt hat, dessen Atmosphäre er mit großer Detailtreue aufruft.

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Wer Paris mag, wer vielleicht selbst schon mal im 14. Arrondissement war, wird hier Genugtuung finden und einige Orte wiedererkennen, seien es der Park Montsouris, die place Denfert-Rocherau oder die Katakomben. Im Anhang des Werks erhalten die Orte des Viertels, die in dem Buch vorkommen, eine besondere Würdigung, indem sie mit Bildern und kurzen erläuternden Texten noch einmal vorgestellt werden. Zuletzt folgt eine gezeichnete Karte des 14. Arrondissement, auf welcher die wichtigsten Schauplätze des Krimis markiert sind.

„Die Ratten im Mäuseberg“ ist ein mit viel Liebe zum Detail besorgter Comic, der jeden Krimi- und Frankreichfan erfreuen wird. Eine unterhaltsame Krimi-Lektüre für zwischendurch.

Bewertung: 4/5

Bibliographische Angaben:
Autor: Léo Malet
Zeichner: François Ravard; Szenario: Emmanuel Moynot; Figuren: Tardi
Titel: Die Ratten im Mäuseberg
Übersetzung aus dem Französischen: Resel Rebiersch
Verlag: Schreiber und Leser
Erscheinungsdatum: 08.09.2020
Seitenzahl: 72
ISBN: 9783965820364
Kaufpreis: 18,80 €

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar, welches ich im Rahmen meiner Tätigkeit für TITEL Kulturmagazin erhielt. Die Tatsache, dass es sich um ein Leseexemplar vom Verlag handelte, beeinflusst meine Meinung nicht.

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