Mein absolutes Lese-Highlight dieses Jahres war „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara. Das Buch, das ich bisher nicht auf dem Blog rezensiert habe, behandelt die Lebensläufe von vier College-Freunden in New York, die ein Leben lang ihre Freundschaft pflegen werden. Im Zentrum der Gruppe steht der erfolgreiche und sympathische Jude, der als Anwalt Karriere macht. Er muss zugleich mit seiner traumatischen Vergangenheit zurechtkommen, von der er lange Zeit niemandem erzählt, da er sich für die Narben von gestern schämt.
Was mir an „Ein wenig Leben“ gefallen hat, war nicht nur der Inhalt – die lebenslange Freundschaft von vier einander eng verbundenen, vertrauen Personen, die man im echten Leben kaum je so finden wird, sondern vor allem auch die raffinierte, ja manipulative Erzählweise mit Rückblenden in die Vergangenheit, die es verstand, die Leserinnen und Leser über 960 Seiten im Bann zu halten und einen gelungenen Spannungsbogen aufzubauen. Manchmal musste ich das Buch zur Seite legen, weil mir die Schilderungen von Judes vergangenen Erlebnissen etwas nahe gingen, doch im Großen und Ganzen hat mir die Lektüre den Atem geraubt.
Alternativen für die Zeit nach „Ein wenig Leben“
Doch ich habe bereits viel zu viel über „Ein wenig Leben“ geredet. Denn heute möchte ich über Bücher sprechen, die ähnlich wie „Ein wenig Leben“ sind. Ich habe in den vergangenen Wochen hin und wieder in Buchhandlungen explizit die Frage an Buchhändlerinnen gestellt, ob sie mir ein Werk empfehlen können, das eine solche Ähnlichkeit besitzt. Manche Buchhändlerinnen waren daraufhin etwas ratlos, weil „Ein wenig Leben“ demnach für sich allein stehe und nichts anderes an es herankomme, andere haben ihr Glück probiert. Die Werke, die mir die zweite Gruppe vorschlug, werde ich euch im Folgenden kurz vorstellen:
David Szalay: Was ein Mann.
In David Szalays „Was ein Mann“ kommt eine ebenso breite Palette an Lebensentwürfen wie in „Ein wenig Leben“ zu Wort: Neun Männer zwischen siebzehn und dreiundsiebzig befinden sich auf der Reise durch Europa. Es ergeben sich Portraits quer durch Länder, Berufe, Schichten und Lebensphasen. „Was ein Mann ist“ stand auf der Shortlist des Man-Booker-Preises.
Übersetzung aus dem Englischen: Henning Ahrens. Hanser 2018. 512 Seiten. 24 €. (dtv-Taschenbuch 12,90 €)
Takis Würger: Der Club.
Würgers Debütroman behandelt eine ganze Reihe von Themen: Es handelt sich um einen Coming-of-Age-Roman, einen Campus-Roman und einen Kriminalroman zugleich. Hans war immer ein Außenseiter. Als Waisenjunge wächst er auf. Sein Hobby Boxen verschafft ihm etwas Ausgleich. Eines Tages wird er nach England eingeladen. Er darf Mitglied der englischen Eliteuniversität Cambridge werden, dafür soll er untersuchen, ob dort in dem dortigen elitären Boxclub Pitt Club alles mit rechten Dingen zu geht.
Kein & Aber Pocket 2018. 240 Seiten. 12 €. (Hardcover 22 €)
Franzobel: Das Floss der Medusa.
Dieses Buch hat mir die Buchhändlerin als ihr absolutes Lieblingsbuch empfohlen. Das Buch wurde im Feuilleton vielfach beachtet. Der österreichische Schriftsteller Franzobel über das Weiterleben nach dem Untergang der französischen Fregatte Medusa am 2. Juli 1816 vor des westafrikanischen Küste. Die Schiffbrüchigen haben sich, mangels Rettungsbooten, auf ein etwa zwanzig Meter langes Floss gerettet. Am Ende überleben nur 15 Menschen von ursprünglich etwa 150, die nach der Havarie zwei Wochen lang auf offener See lebten.
btb 2019. 592 Seiten. 12 €. (Hardcover 26 €)
Vielen herzlichen Dank an die beratenden Buchhändlerinnen aus den Erlanger Buchhandlungen!