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12 Klassiker lesbischer Literatur, die du immer lesen kannst

Die Buchstaben LGBTIQ* stehen für Vielfalt, auch in der Literatur. Nachdem wir bereits einen Blick auf die Klassiker schwuler Literatur geworfen haben, setzen wir unseren Weg heute fort: hinein in die Geschichte lesbischer Literatur.

Im Mittelpunkt stehen dabei Werke, die längst als Klassiker gelten: Manche sind schon alt, andere noch jünger, aber nicht weniger bedeutend. Von der antiken Dichterin Sappho über Virginia Woolf bis hin zur spannenden Prosa von Patricia Highsmith: Viele Autorinnen haben die lesbische Literatur geprägt und Spuren hinterlassen.

Ihnen und ihren Texten wollen wir uns heute widmen.

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Sappho: Liebesgedichte.

Sappho von Lesbos gilt als bedeutendste weibliche Lyrikerinnen der Antike. Bereits in der Antike wurde sie als „zehnte Muse“ verehrt. Ihre Dichtung, die vorwiegend in Fragmenten überliefert ist, widmet sich mit Zartheit und emotionaler Tiefe der Liebe, insbesondere zwischen Frauen. In ihren Versen beschreibt sie Sehnsucht, Eifersucht, Zuneigung und körperliches Begehren, Themen, die sie mit feiner Beobachtung und großem sprachlichen Rhythmus angeht. Durch ihre sensible und poetische Beschäftigung mit Frauenliebe wurde Sappho zur Urheberin des Begriffs „lesbisch“, denn sie stammte von der Insel Lesbos.

Als Person bleibt Sappho rätselhaft. Sie lebte im 6. Jahrhundert v. Chr. in Mytilene (Lesbos) und war wahrscheinlich Leiterin eines Kreises junger Frauen, in dem musische Bildung und emotionale Bindungen praktiziert wurden. In einer von Männern dominierten literarischen Welt behauptete sie sich mit ihrer poetischen Stimme. Obwohl ihre Werke nur bruchstückhaft erhalten sind, inspiriert Sappho mit ihrer Liebesdichtung Dichterinnen und Dichter bis heute.

Übersetzt aus dem Griechischen von Joachim Schickel. Mit einem Nachwort von Marion Giebel. Insel Verlag. 2007. 9 Euro.


Virginia Woolf: Orlando.

Virginia Woolfs Orlando (1928) glänzt vor allem durch seine stilistische und formale Brillanz, denn er spielt mit den Kategorien Geschlecht, Identität und Zeit. Die Hauptfigur Orlando durchlebt über Jahrhunderte hinweg verschiedenste gesellschaftliche Epochen und wechselt dabei mühelos das Geschlecht. Was als Biografie eines jungen Adligen beginnt, verwandelt sich in eine literarische Fantasiereise, die patriarchale Normen unterläuft und feste Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit hinterfragt. Woolfs ironischer Ton und ihr poetischer Stil auch in der Prosa machen aus Orlando ein außergewöhnliches Werk.

Entstanden ist der Roman als Liebeserklärung an Woolfs Geliebte Vita Sackville-West (1892-1962), die sich durch einen adeligen sozialen Hintergrund und ihr androgynes Auftreten auszeichnete, was unmittelbar auf den Roman einwirkte. In einer Zeit, in der auf Queerness ein Tabu lag, erdachte Woolf aufbauend auf persönlicher Erfahrung ein subversives, lustvolles Spiel mit Geschlechterrollen und ein zutiefst persönliches, gleichzeitig politisches Werk.

Aus dem Englischen von Melanie Walz. Insel Taschenbuch. 2015. 10 Euro.


Djuna Barnes: Nachtgewächs.

Djuna Barnes’ Nightwood (1936) überzeugt durch seine Sprachgewalt, mit der er die dunkle Stimmung in der Pariser Bohème zu Beginn des 20. Jahrhunderts schildert. In einer expressionistischen Sprache erzählt Barnes von der zerstörerischen Liebe zwischen der Amerikanerin Robin Vote und ihrer Geliebten Nora Flood. Die Figuren kreisen umeinander in einem Geflecht aus Sehnsucht, Schmerz und Entfremdung, bar jeder Hoffnung auf gesellschaftliche Anerkennung oder persönlichen Frieden.

Mit Nightwood schuf Barnes eines der frühesten literarischen Werke, das lesbische Beziehungen nicht nur thematisieren, sondern in ihrer existenziellen Tiefe und Widersprüchlichkeit ernst nehmen. Die Sprache ist anspruchsvoll, metaphernreich und durchweg subjektiv. T. S. Eliot, der das Vorwort schrieb, nannte den Roman ein Meisterwerk. Barnes war ihrer Zeit weit voraus: Nightwood ist nicht nur ein Meilenstein queerer Literatur, sondern auch ein künstlerisches Zeugnis weiblicher Selbstermächtigung.

Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Hildesheimer. Mit einer Einleitung von T. S. Eliot. Nachwort des Übersetzers. Suhrkamp Verlag. 1993/2023. 10 Euro.


Radclyffe Hall: Quell der Einsamkeit.

Im Mittelpunkt von (Margaret) Radclyffe Halls 1928 erschienem Roman Quell der Einsamkeit (The Well of Loneliness) steht Stephen Gordon, eine englische Frau aus der Oberschicht, die sich schon früh als anders empfindet und sich in Frauen verliebt. Der Roman begleitet sie von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter, durch Ausgrenzung, Einsamkeit und das Ringen um Anerkennung in einer feindlich gesinnten Gesellschaft. Hall erzählt in nüchterner, klarer Sprache und mit großer psychologischer Klarheit vom Kampf um Identität und vom Wunsch, geliebt zu werden, wie man ist. Homosexualität wird dabei mit dem Recht auf Liebe verbunden.

Der britische Roman war der Zeit weit voraus und wurde prompt zensiert. Der Sunday Express schrieb: „Ich würde einem gesunden Jungen oder einem gesunden Mädchen eher eine Phiole Blausäure geben, als diesen Roman.“ In England wurde das Buch als „obszön“ gerichtlich verboten, obwohl es keine expliziten Szenen enthält. Halls Plädoyer für ein Leben homosexueller Menschen mit Würde war damals ein Skandal. Quell der Einsamkeit wurde zu einem der ersten Werke, in dem lesbische Existenz als tragfähig, wenn auch potenziell tragisch dargestellt wurde.

Aus dem Englischen von Rudolf Harms. Mit einem Nachwort von Susanne Amrain. Krug und Schadenberg Verlag. 1991. ca. 12 Euro. (antiquarisch)


Violette Leduc: La Bâtarde/Die Bastardin.

Violette Leducs La Bâtarde (1964) ist ein kompromissloses, intensiv geschriebenes Selbstporträt einer Frau, die sich gegen gesellschaftliche Scham und Konventionen auflehnt. In einer oft roh-poetischen Sprache erzählt Leduc von ihrer unehelichen Geburt, ihrer Kindheit voller Zurückweisung, ihren Erfahrungen mit Armut und Ausgrenzung und nicht zuletzt von ihrem lesbischen Begehren, das sie weder verschweigt noch verklärt. Ihre Sexualität ist Teil eines umfassenden Kampfes um Anerkennung, Würde und ein selbstbestimmtes Leben.

La Bâtarde war zur Zeit seines Erscheinens ein Skandal und zugleich ein literarischer Befreiungsschlag. Leduc schrieb schonungslos über weibliches Verlangen, Körperlichkeit und Leidenschaft und wurde damit zur Vorreiterin einer weiblich-queeren Selbsterzählung. Unterstützt von Simone de Beauvoir, fand das Werk schließlich Anerkennung und wurde zu einem Klassiker der autobiografischen Literatur. Violette Leduc hat mit La Bâtarde nicht nur ein literarisch eigenwilliges, sondern auch ein radikal ehrliches Zeugnis queer-lesbischer Existenz in der repressiven Nachkriegsgesellschaft vorgelegt.

Mit einem Nachwort von Simone de Beauvoir. Rowohlt Verlag. 1978. ca. 5-10 Euro. (antiquarisch) bzw. frz. oder englische Ausgabe.


Audre Lorde: Zami. Eine neue Schreibweise meines Namens.

Audre Lordes Zami. Eine neue Schreibweise meines Namens (1982) ist ein autobiografischer Roman, den sie selbst als biomythography bezeichnet, eine Mischung also aus Biografie, Mythos und Geschichte. In poetischer Sprache erzählt Lorde von ihrem Aufwachsen als Schwarze lesbische Frau in den USA der 1940er- und 1950er-Jahre, von Rassismus, Klasse, körperlicher Andersartigkeit und der Suche nach Identität und Zugehörigkeit. Dabei steht nicht nur ihr persönliches Erleben im Mittelpunkt, sondern auch die Begegnungen mit anderen Frauen, deren Nähe und Liebe sie prägen.

Lordes Schreiben ist geprägt von Widerstand, Selbstbehauptung und dem Wunsch nach einer solidarischen Welt jenseits weißer und heteronormativer Machtstrukturen. Die Verbindung von Körper, Begehren, Herkunft und Sprache macht Zami zu einem unverwechselbaren Text, der bis heute nachwirkt. Lorde hat eine neue Form des autobiografischen Schreibens geschaffen.

Aus dem Englischen von Karen Nölle. Hanser Verlag. 2022. 26 Euro.


Monique Wittig: Les Guérillères.

Monique Wittigs Les Guérillères (1969) ist ein radikaler, sprachlich experimenteller Roman, der patriarchale Strukturen nicht nur anprangert, sondern literarisch sprengt. In fragmentarischen Szenen erzählt Wittig von einer Welt, in der Frauen – die „Guérillères“ – sich zusammenschließen, um sich von männlicher Herrschaft zu befreien. Es ist ein poetischer, mythologischer Text, in dem weibliche Körper, Begehren, Sprache und Gemeinschaft neu gedacht werden. Die lineare Erzählweise wird aufgebrochen zugunsten einer vielstimmigen Form, die dem revolutionären Inhalt entspricht.

Wittig war nicht nur Schriftstellerin, sondern auch feministische Theoretikerin und lesbische Aktivistin. Les Guérillères ist feministische Literatur, weil er auch eine neue, nicht-männliche Sprache einfordert. Die Frauen in diesem Text erfinden eine eigene Wirklichkeit. Wittigs Werk bleibt bis heute ein provokantes, inspirierendes Manifest feministischer Utopie – und wurde bezeichnenderweise bisher nicht ins Deutsche übertragen.

Éditions Minuit. 2019. 9 Euro. (frz. Ausgabe)


Patricia Highsmith: Carol oder Salz und sein Preis.

Patricia Highsmiths Carol (The Price of Salt, 1952) ist ein Liebesroman über die Beziehung zwischen zwei Frauen: die von Therese, einer jungen Kaufhausverkäuferin, und Carol, einer eleganten, lebenserfahreneren Frau in Scheidung. Die Geschichte entfaltet sich in atmosphärischen Bildern und lebt von der intensiven psychologischen Spannung zwischen Nähe und Unsicherheit. In einer Zeit, in der queere Literatur meist in Schuld, Verzicht oder Tod mündete, wagte Highsmith ein anderes Ende: ein zartes Happy End, das die lesbische Liebe nicht bestraft, sondern möglich macht.

Veröffentlicht zunächst unter Pseudonym, unterscheidet sich Carol oder Salz und sein Preis deutlich von Highsmiths sonstigem Werk, das von dunklen Psychogrammen und Kriminalgeschichten geprägt ist. Doch gerade durch seine zurückhaltende Eleganz wurde der Roman zu einem bedeutenden Bestandteil der lesbischen Literatur. Jahrzehnte später wurde das Buch neu entdeckt und erfolgreich verfilmt – als literarischer Beweis dafür, dass queere Liebe auch glücklich enden dürfen.

Aus dem Englischen von Melanie Walz. Herausgegeben von Paul Ingendaay. Diogenes. 2005. 14 Euro. (Taschenbuch)


Jeanette Winterson: Orangen sind nicht die einzige Frucht.

Jeanette Wintersons Orangen sind nicht die einzige Frucht (Oranges Are Not the Only Fruit, 1985) ist ein Bildungsroman über eine junge Frau, die in einer streng evangelikalen Umgebung aufwächst und ihre lesbische Identität entdeckt. Die Erzählerin, Jeanette, wird von ihrer Adoptivmutter zur Missionarin erzogen, doch als sie sich in ein Mädchen verliebt, beginnt ein innerer und äußerer Bruch mit dem religiösen Umfeld. In einer eigenwilligen Mischung aus Fiktion, Autobiografie und Märchenelementen hinterfragt Winterson mit erzählerischer Raffinesse die Macht von Normen und Glaubenssätzen.

Winterson schrieb den Roman mit Anfang zwanzig in einem frechen, selbstbewussten und überraschend reifen Ton. Die Sprache ist pointiert, die Struktur spielerisch: Zwischen biblischen Anspielungen und surrealen Einschüben entsteht ein Text, der berührt, aber nie in Selbstmitleid verfällt. Stattdessen feiert Orangen sind nicht die einzige Frucht den Eigensinn und die Fantasie. Der Roman wurde mehrfach ausgezeichnet und verfilmt und bleibt ein Schlüsselwerk der lesbischen Literatur.

Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek. Kein & Aber. 2019. 14 Euro.


Leslie Feinberg: Stone Butch Blues: Träume in den erwachenden Morgen.

Leslie Feinbergs Stone Butch Blues (1993) ist ein bewegender, doch kämpferischer Roman über das Leben von Jess Goldberg, einer Butch, die in den 1950er- bis 70er-Jahren in den USA aufwächst. Der Roman erzählt von Ausgrenzung, Polizeigewalt, sexueller und körperlicher Gewalt, aber auch von Solidarität in Communities und in der Arbeiterbewegung. Feinberg verbindet eindrucksvoll persönliche Identitätssuche mit kollektiven Kämpfen um soziale Gerechtigkeit und zeichnet so ein authentisches, oft erschütterndes Bild queer-lesbischer Geschichte von unten.

Stone Butch Blues ist mehr als ein autobiografisch inspirierter Roman, es ist ein politisches Manifest in literarischer Form. Feinberg schreibt radikal ehrlich über Gendernonkonformität, Transfeindlichkeit, Klassismus und das Recht, gesehen und benannt zu werden. Die Figur Jess bewegt sich zwischen Identitäten, zwischen Butch und Trans, zwischen Unsichtbarkeit und Selbstbehauptung – und bleibt dabei immer glaubwürdig und stark. Der Roman gilt heute als Klassiker der trans* und queer-lesbischen Literatur, als Zeugnis von Selbstbehauptung in einer feindlichen Welt.

Aus dem Englischen von Claudia Brusdeylins. Krug & Schadenberg. 2018. ca. 10 Euro. (E-Book oder antiquarisch)


Alison Bechdel: Fun Home: Eine Familie von Gezeichneten.

Alison Bechdels Fun Home (2006) ist ein grafisches Memoir von außergewöhnlicher Tiefe und formaler Raffinesse und beinahe schon ein Klassiker im Graphic Novel-Bereich. In kunstvollen Bildern und klugen, dichten Texten erzählt Bechdel von ihrer Kindheit in einer außergewöhnlichen Familie, ihrem Coming-out als lesbische Jugendliche und von der komplexen Beziehung zu ihrem Vater, einem zurückhaltenden Englischlehrer und, wie sich herausstellt, heimlich homosexuellen Mann. Das titelgebende „Fun Home“ – ein ironischer Spitzname für das familiäre Beerdigungsinstitut – wird zum Symbol für das Spannungsfeld zwischen Schein und Sein.

Bechdel verwebt persönliche Erinnerungen mit Referenzen aus Literatur, Mythologie und Psychoanalyse – von Ulysses bis Der Mythos des Sisyphos –, ohne jemals prätentiös zu wirken. Fun Home ist nicht nur ein Coming-out-Memoir, sondern auch eine Reflexion über generationelle Konflikte und familiäre Geheimnisse. Es gilt als eines der ersten literarisch kanonisierten Graphic Novels und als Meilenstein queeren Erzählens in den USA.

Kiepenheuer & Witsch. 2008. 28 Euro. (oder antiquarisch)


Yael Inokai: Ein simpler Eingriff.

Yael Inokais Ein simpler Eingriff (2022) ist ein leiser Roman über das Spannungsfeld zwischen Medizin, Körperbildern und weiblichem Begehren. Im Zentrum steht Meret, eine junge Krankenschwester in einer Klinik, die „Heilung“ durch Eingriffe verspricht, Eingriffe, die jungen Frauen ihre Wut und ihre Abweichung nehmen sollen. Sie beginnt, die Logik dieser Eingriffe zu hinterfragen, als sie sich in eine Patientin verliebt. Inokai erzählt ohne Pathos, mit feiner Beobachtungsgabe und Präzision und großer sprachlicher Konzentration von Zärtlichkeit, Verletzlichkeit und stiller Rebellion.

Ein simpler Eingriff ist ein Roman, der Queerness nicht spektakulär inszeniert, sondern in ihrer Alltaglichkeit ernst nimmt. Die Sprache ist klar und fast kühl. Inokai verzichtet auf laute Gesten und schreibt stattdessen eine Literatur der stillen Beharrlichkeit. Das Buch ist ein subtiles, literarisch anspruchsvolles Plädoyer für Selbstbestimmung und Nähe – und ein bedeutender Beitrag zur queer-lesbischen Gegenwartsliteratur.

Hanser Berlin. 2022. 22 Euro.


Es fällt auf, dass viele der sogenannten lesbischen „Klassiker“ nur schwer zugänglich sind – teils nur noch antiquarisch oder als E-Book erhältlich. Einige Titel liegen bis heute ausschließlich im Original vor. Unter dem Begriff „Klassiker“ würde man gemeinhin gut verfügbare und regelmäßig neu aufgelegte Werke verstehen; im Bereich queerer Literatur, insbesondere solcher mit weiblichen Protagonistinnen, ist dies jedoch häufig nicht der Fall. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass queere bzw. LGBTIQ-Literatur im allgemeinen Sprachgebrauch und in Verlagsprogrammen oftmals stärker mit männlich geprägten Geschichten assoziiert wird.

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