Ich habe mich immer irgendwie durchgemogelt, bin durchs Leben gewuselt, gerade so durchgekommen. Und dabei bin ich immer wieder hängen geblieben. Hängen an Krankheiten, hängen an den Vorstellungen anderer vom „richtigen“ Leben. Eigentlich möchte ich nur eins: frei sein. Frei von Verpflichtungen, frei von Erwartungen, frei von jeder Form von Unterdrückung und Diskriminierung. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die andere in Ruhe lässt. Eine Gesellschaft, in der jeder so sein kann, wie er möchte.
Weiterlesen: Abhängigkeit von sozialen Medien: Ein gesellschaftliches ExperimentDoch stattdessen erlebe ich eine Welt, die Freiräume einschränkt. In der es immer enger wird – und engstirniger. In der soziale Medien und Algorithmen uns diktieren, wie wir zu sein haben, was wir tun und was wir denken sollen. Weil sie nach eigenen, undurchsichtigen Prinzipien funktionieren – und im Kern faschistoid sind. Medienformen, die Kinder in ihrer Entwicklung beeinflussen, Demokratien unterwandern und uns in neue autoritäre Systeme treiben. Systeme, in denen Freiheit nur noch eine verblassende Erinnerung sein wird.
Im Grunde bewegen wir uns alle auf diesen Abgrund zu: mit unserer egozentrischen Ich-Fixierung, unserer Besessenheit vom eigenen Feed. Ein Abgrund, den wir selbst geschaffen haben – und den wir nicht verhindern (oder verhindern wollen). Denn die Mechanismen, die diesen Abgrund aufhalten könnten, sind längst in den Technologien verankert, von denen wir täglich Gebrauch machen. Technologien, die uns abhängig und süchtig machen.
Wir könnten diese Technik beherrschen. Doch stattdessen beherrscht sie uns.
Und das auf eine Weise, die uns die Kontrolle entgleiten lässt. Ein Gefälle entsteht, das wir nicht mehr durchschauen. Der Mensch glaubt noch immer, die Technik sei ein Werkzeug, das er bedient. Aber sie hat sich längst verselbständigt. Irgendwann werden KIs Entscheidungen treffen – für uns oder gegen uns – und niemand wird uns mehr fragen. Unsere Daten werden nicht mehr uns gehören, sondern Facebook, Instagram, Tiktok – sie wissen längst mehr über uns, als uns bewusst ist. Auch ChatGPT weiß viel. Vielleicht nicht alles, aber viel.
Wir befinden uns in einem riesigen, sensiblen Experiment, dem wir zugestimmt haben. Die Gesellschaft entwickelt sich in rasantem Tempo, aber ihr Ziel ist ungewiss. Jeder will im Netz glänzen, alle pflegen ihre Kanäle – auf gut Glück, im Prinzip. Und doch sind wir längst abhängig. Wird Instagram „böse“, wechseln wir eben zu Bluesky. Wird Bluesky out, suchen wir die nächste Plattform. Aber wie lange wollen wir dieses Spiel noch mitspielen, ohne uns die entscheidende Frage zu stellen?
Die Frage nach der Abhängigkeit.
Wie lange wollen wir noch abhängig sein – statt unabhängig, eigenverantwortlich und frei?