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Aus dem Lyrikkabinett: Die schönsten Streichhölzer der Welt: ein Blick auf Ron Padgett

Ron Padgett, geboren 1942 in Tulsa, ist ein New Yorker Dichter der New York School of Poetry, zu deren zweiter Generation er gehört, auch wenn er selbst diese Kategorisierung ablehnt. In dem hübschen Band „Die schönsten Streichhölzer der Welt“, den ich hier vorstelle und dessen Titel mir bereits sehr gut gefallen hat, ist das Gesamtwerk seines Schaffens zusammengefasst. Unter anderem sind darin die Gedichte enthalten, die Ron Padgett für den Film „Paterson“ (2016) von Jim Jarmusch verfasst hat.

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Ich muss gestehen: Ich bin über „Paterson“ zu Ron Padgett und der New York School of Poetry gekommen. In dem Kunstfilm, in dem eigentlich nicht viel passiert, geht es um einen dichtenden Busfahrer namens Paterson, der neben seiner Arbeit als Fahrer in seinen Mittagspausen Gedichte in ein Notizheft schreibt, das er immer bei sich trägt. Seine Freundin ermutigt ihn, die Gedichte zu veröffentlichen. Ich möchte zwei der drei Gedichte, die in dem Film vorkommen, hier abbilden, allerdings aus Platzgründen nur in der deutschen Übersetzung des Lyrikers und Germanisten Jan Volkert Röhnert, der auch das Nachwort für den Band verfasst hat:

Gedicht

Ich sitze im Haus.
Schönes Wetter draußen: warme
Sonne auf kaltem Schnee.
Frühling zieht ein
oder Winter aus.
Meine Beine gleiten die
Treppe hinab, zur Tür
hinaus, meine obere Hälfte
tippt hier herum.

Liebesgedicht

Wir haben jede Menge Streichhölzer daheim.
Wir haben sie immer zur Hand.
Im Moment ist Ohio Blue Tip unsre Lieblingsmarke,
früher mochten wir Diamond sehr.
Das war, eh wir Ohio Blue Tip entdeckten.
Sie sind erstklassig verpackt, kompakte
kleine Schachteln mit dunkel- und hellblauem und weißem
Etikett mit Worten gesetzt in Form eines Megaphons,
als wollten sie umso lauter in die Welt posaunen:
„Hier ist das schönste Streichholz der Welt,
sein weicher anderthalb Zoll langer Kiefernstab auf
dem ein raues Purpurkäppchen sitzt, so schlicht und wild
darauf aus sich zu entflammen,
vielleicht um zum ersten Mal der Geliebten
die Zigarette anzuzünden, und danach war nichts
mehr so wie es mal war. Das alles will ich dir geben.“
Und du hast es mir gegeben, ich
wurde die Zigarette und du das Streichholz oder ich
das Streichholz und du die Zigarette, entflammt
zu Küssen, die himmelwärts verglühen.

Die hier zitierten Gedichte zeigen bereits gut, wie konkret, alltäglich und zugleich hintergründig, verspielt und humorvoll-gelassen im Ton die Gedichte von Ron Padgett sein können. Er befasst sich in seinem Werk durchaus mit ernsten Themen, aber auch mit Liebe, mit anderen Dichtern. Er selbst lebte ein oder zwei Jahre in Paris, wo er ein Fulbright Stipendium hatte, und hat deshalb, aber auch aufgrund seiner Zugehörigkeit zur New York School of Poetry eine Nähe zu französischen Dichtern der Moderne wie Rimbaud, Apollinaire, Mallarmé, Max Jacob, aber auch Baudelaire oder Nerval aus dem 19. Jahrhundert sind für ihn wichtig. Dies wird in den Gedichten deutlich, die sich direkt an die genannten Dichter richten.

Ron Padgett erhielt 2018 die Frost Medal für sein Lebenswerk. Er gab in New York, wo er seit 1966 lebt, einige Jahre Lyrikunterricht an Schulen. Bereits als Schüler hatte er zusammen mit Dick Gallup und Joe Brainard eine Literaturzeitschrift herausgegeben, von der 5 Ausgaben erschienen.

Ron Padgett: Die schönsten Streichhölzer der Welt. Gedichte. Englisch-Deutsch. Dieter’sche Verlagsbuchhandlung. 22 Euro.

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