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Interview: „Ich schätze Maupassants Wildheit“ – 8 Fragen an Arne Ulbricht

In der nächsten Zeit wird auf meinem Blog ein kleiner Schwerpunkt auf dem französischen Schriftsteller Guy de Maupassant (1850-1893) liegen. Eingeläutet wird dieser durch ein Interview mit dem Maupassant-Freund und -Kenner Arne Ulbricht, der einen biographischen Roman über dessen Leben verfasst hat.

In seinem sehr gut recherchierten Roman erzählt Arne Ulbricht, der in Teilzeit als Lehrer für Französisch und Geschichte arbeitet und nebenbei seit 1997 Bücher schreibt, wie Maupassant zum Schriftsteller wurde. Er berichtet in unterhaltsamer Weise, mit viel wörtlicher Rede, aus dem Leben des jungen Mannes bis ins Jahr 1880, als die Novelle „Boule de suif“ erschien und sein Lehrer und literarischer Patron Gustave Flaubert starb.

Der Roman ist auf Deutsch („Maupassant: Biografischer Roman“, Klak Verlag, 2017) und auf Französisch („Cette petite crapule de Maupassant“, Les Éditions du Sonneur, 2019) erschienen.


Promenades littéraires: Lieber Herr Ulbricht, Sie haben einen biographischen Roman über Guy de Maupassant verfasst. Wie kamen Sie zu diesem Thema?

Arne Ulbricht: Dank meines Französischlehrers. Das war noch ein wahrer Überzeugungstäter, der uns wirklich begeistert hat. Die Novelle „Le Vagabond“ hat mich damals – ich war 18 – tief bewegt. Während meines Studiums habe ich dann einen Maupassant-Band nach dem anderen verschlungen und irgendwann eine Biografie gelesen. Ich staunte, was ich alles nicht über Maupassant wusste, und dachte: Über diesen fulminanten Autor schreibe ich einen Roman!

Woher stammt die Begeisterung für diesen Schriftsteller, der weniger gelesen wird als etwa sein Lehrer und literarischer Ziehvater Gustave Flaubert oder der Realist Honoré de Balzac?

Meines Wissens wird Maupassant heutzutage genauso viel gelesen, wenn nicht gar mehr. Und zu seiner Zeit war er nach Zola der zweitmeist gelesene Autor Frankreichs, noch vor Hugo. Vor allem in Deutschland sind Flaubert und Balzac aber in der Tat bekannter. Flauberts Leben selbst bietet allerdings nicht viel Stoff, und über Balzac ist schon viel geschrieben worden. Darüber hinaus schätze ich Maupassants Wildheit, die sich auch in seinen Texten widerspiegelt.  

Der literarische Erfolg Guy de Maupassants stellte sich erst ab 1880 bis 1890 ein. Ihr Roman endet mit dem Tod Flauberts im Jahr 1880. Weshalb beleuchten Sie in Ihrem Roman nur die jungen Jahre Guy de Maupassants von seiner Kindheit bis zu seinen Anfängen als Schriftsteller, ohne seine großen Erfolge gebührend darzustellen?

Ich wollte einen Roman schreiben, der in Deutschland und Frankreich mit Gewinn gelesen werden kann. Und in der Regel kennt man nur den Maupassant ab 1880. Aber Maupassant hat zuvor schon einige Novellen und unzählige Gedichte geschrieben. Und im Jahr 1875 hat er gemeinsam mit Freunden ein pornografisches Theaterstück verfasst und später aufgeführt – Maupassant selbst hat eine Prostituierte gespielt. Maupassants Vater, Flaubert und Goncourt waren anwesend, Letzterer berichtet über diesen Abend in seinem Tagebuch. Solche Geschichten wollte ich unbedingt erzählen.

Maupassants Lehrjahre als Schriftsteller von 1870 bis 1880 spielten sich zwischen dem Beruf im Ministerium, der Ruderfreizeit an der Seine, Liebesabenteuern mit Frauen und literarisch-journalistischen Kreisen ab. Wie haben diese Lebenserfahrungen sich auf sein späteres Schaffen ausgewirkt?

Das war alles Stoff! Er war ein Beobachter, und seine Beobachtungen sind in seine Novellen und auch Romane eingeflossen. Es gibt unzählige Novellen, die vom Rudern oder von der eintönigen Arbeit im Ministerium erzählen. Und Prostituierten begegnet man ebenfalls en Masse.

War Maupassant ein Frauenheld? Ihm wird zugleich vorgeworfen, in manchen seiner Schriften misogyn zu sein. Wie passt das zusammen?

Gute Frage. Man findet, wenn man sucht, Passagen in journalistischen Texten, die durchaus frauenverachtend sind. Aber man muss diese Äußerungen im historischen Kontext sehen: Damals spielten Frauen in der Politik zum Beispiel keine Rolle und durften nicht wählen. Er war ein großer Frauenversteher und hatte Verständnis für Frauen, die ihre langweiligen Männer betrogen, und über Prostituierte hat er überwiegend respektvoll geschrieben. „Boule de suif“ ist zum Beispiel eine echte Heldin. Die Einzige in dieser Novelle.

Maupassant ist, was das Schreiben angeht, bei Louis Bouilhet und vor allem bei Gustave Flaubert, dem Meister von Croisset, in die Lehre gegangen. Wie viel Flaubert steckt in Maupassant?

Wenn Bouilhet nicht so plötzlich gestorben wäre, dann hätte Maupassant vermutlich weiter Gedichte geschrieben. Flaubert hat ihn zur Prosa geführt und ihn immer wieder ermuntert, seinen Weg zu gehen. Und der war ein ganz anderer: Maupassant hat wie am Fließband geschrieben, während Flaubert eine Woche lang über ein einziges Wort gegrübelt hat.

Welches Werk von Maupassant hat sie am nachhaltigsten beeindruckt und weshalb?

„Bel-Ami“ liebe ich. Erstens ist es faszinierend, einen unsympathischen, zutiefst unmoralischen Helden zu begleiten und sich dabei zu erwischen, wie man ihn manchmal auch beneidet. Zweitens gibt es ganz starke Szenen in diesem Roman. Zum Beispiel, wie Maupassant die Angst seines Helden vor einem Duell schildert. Und es gibt viele viele Novellen, die mich nachhaltig beeindruckt haben. Zum Beispiel „Deux amis“ – so einen traurig schönen Text habe ich nie wieder gelesen.

Werden Sie den weiteren Werdegang Maupassants nach 1880 auch noch in einem Roman verarbeiten?

Es wird keine direkte Fortsetzung geben, aber ich plane einen weiteren Roman über Maupassant, in dem ich mich konkret mit einem sehr kurzen Abschnitt seines Lebens befassen möchte.


Arne Ulbricht: Maupassant: Biografischer Roman.

Bis heute gehört Guy de Maupassant (1850-1893) zu den meist gelesenen Klassikern der Weltliteratur. Aber wenig bekannt ist, was sich hinter der Fassade des Dandys und Frauenhelden verbirgt, der sogar die Prostituierten zu beeindrucken wusste. Der als Soldat im Krieg gegen Preußen achtzig Kilometer in Eiseskälte marschierte und den Krieg hassen lernte. Darüber hinaus war er ein vitaler Sportler, der sich mit seinen Freunden aus der Pariser Bohème vergnügte, während die Impressionisten die Landschaften der Normandie, das absinthgeschwängerte Paris und die Salons der Schönen und Berühmten auf der Leinwand festhielten. Von den literarischen Giganten Gustave Flaubert und Emile Zola wegen seiner Originalität und seinem Witz gefördert, war sein künstlerischer Durchbruch allerdings alles andere als ein leichtes Spiel.

Klak Verlag. 246 Seiten. 16,90 €

Arne Ulbricht: Cette petite crapule de Maupassant.

Un roman alliant enthousiasme et connaissances, de manière ludique et documentée.

Le roman biographique d’Arne Ulbricht offre une perspective originale sur la vie et l’oeuvre de Maupassant (1850-1893). En une vingtaine de chapitres, il dépeint les moments clés de la jeunesse de Maupassant sous la forme de saynètes très vivantes : l’enfance à Étretat, l’internat religieux à Yvetot, les premières amours, les premiers poèmes, le lycée à Rouen, les mentors Gustave Flaubert et Louis Bouilhet, la guerre de 1870, les parties de canotage sur la Seine, les prostituées, la déprimante vie de bureau du jeune fonctionnaire au ministère de la Marine, la représentation privée dans un atelier d’artiste de la farce pornographique À la feuille de rose, les premiers symptômes de la syphilis, jusqu’au premier succès littéraire que lui vaut la nouvelle “ Boule de suif „, parue en 1880.

Übersetzung aus dem Deutschen ins Französische von Elisabeth Willenz. Lés éditions du Sonneur. 315 Seiten. 18,50 €

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