Wenn ihr eine herzliche und nett erzählte Schul- und Liebes-Geschichte über zwei Jugendliche, Nick und Charlie, aus Großbritannien lesen wollt, bei der es um die Themen inneres und äußeres Coming-out, Homo- und Bisexualität, aber auch Freundschaft, Zusammenhalt und Mobbing geht, kann ich euch die „Heartstopper“-Reihe von Alice Oseman sehr empfehlen, die inzwischen vier Bände umfasst, davon drei ins Deutsche übersetzt.
Auch eine Netflix-Serie und einige andere Spinoffs, zum Beispiel Prosageschichten, gibt es inzwischen im „Heartstopper“-Universum, sodass für Fans vorgesorgt ist. Begonnen hat die Reihe als Comic, für den Oseman bei Kickstarter um Unterstützung geworben hat. Ich habe nur die Graphic Novels und die Serie gesehen/gelesen, wobei mir insbesondere der akzeptierende, warme und offenherzige Erzählton der Reihe gefällt.
Die „Heartstopper“-Bände sind zwar keine Hochliteratur, das sind Graphic Novels meist nicht, aber sie schaffen eins: LGBTIQ-Themen auf eine Weise darzustellen, dass sie sich wie die Normalität anfühlen. Ich hätte mir als Jugendlicher oder junger Mensch gewünscht, dass es damals bereits eine solche Menge an Jugendliteratur gegeben hätte, in der schwullesbische, bisexuelle oder trans Menschen mit solcher Normalität repräsentiert worden wären.
Die Handlung von „Heartstopper“ dreht sich wie gesagt um Charlie und seinen Schwarm Nick sowie um die Freund*innenclique der beiden: Charlie und seine Freunde haben zunächst mit Mobbing zu kämpfen, denn Charlie ist in seiner Schule als schwul geoutet, was die Rugby-Clique, mit der Nick seine Zeit verbringt und in einem Team spielt, nicht akzeptiert. Doch Nick ist anders und schlägt Charlie vor, ins Rugby-Team zu kommen. So entwickelt sich zwischen den beiden nach und nach etwas, bei dem sie selbst, vor allem der vermeintlich heterosexuelle Nick, anfangs noch nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen und erst einen Umgang finden müssen.
Die offene und ehrliche Darstellung des Coming-out-Prozesses, der nicht immer linear verläuft, sondern manchmal auch über Umwege, hat mir sehr gut gefallen. Die Bände lassen sich schnell lesen. Allerdings war der dritte Band im Vergleich zu den ersten etwas schwächer. Im dritten Band geht es um eine Klassenreise nach Paris, die teils etwas handlungsarm ist.
Eine Kritik an den Büchern ist, dass sie aus zu wenig Text bestehen, um eine gehaltvolle Lektüre abzugeben. Der Inhalt der Bände lässt sich auf einige Sätze bis Absätze reduzieren. Für Erwachsene kann das enttäuschend sein, für Jugendliche, vor allem solche, die allgemein nicht so viel lesen, kann eine solche Gestaltung zum Lesen ermutigen und anregen.
Insgesamt finde ich „Heartstopper“ lesenswert, vor allem für Jugendliche und solche, die sich noch einmal mit dem Coming-out-Prozess beschäftigen wollen, der bei LGBTIQ-Personen ja manchmal auch erst in den Zwanzigern oder noch später stattfindet. Ich glaube nicht, dass alle Jugendlichen so früh wie Nick oder Charlie eindeutig über sich selbst Bescheid wissen und so offen damit umgehen können. Die „Heartstopper“-Welt kann dazu als anzustrebendes Ideal ermutigen.
Bewertung: ⭐⭐⭐⭐ 4/5
deutsch:
Alice Oseman: Heartstopper Volume 1. Boy trifft Boy, übersetzt von Vanessa Walder. Loewe Graphix. ISBN 3743209365. 15 €.
Alice Oseman: Heartstopper Volume 2, übersetzt von Vanessa Walder. Loewe Graphix. ISBN 3743209373. 15 €.
Alice Oseman: Heartstopper Volume 3, übersetzt von Vanessa Walder. Loewe Graphix. ISBN 374321282X. 15 €.
englisch:
Alice Oseman: The Heartstopper Collection Volumes 1-3. Hachette Children’s Books. ISBN 1444970380. ca. 26 €.
Alice Oseman: Heartstopper Volume 4. Hodder Children’s Books.
ISBN 144495279X. ca. 10 €.
Trailer der Netflix-Serie (Staffel 1)