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Aus dem Lyrikkabinett: „halsermohnz“ von Axel Görlach

Axel Görlach hat sich bereits mit mehreren Lyrikbänden einen Namen gemacht. Im Juli erschien nun sein vierter Band im Black Ink Verlag, ein kleiner, feiner Gedichtband, der nach „weil es keinen grund gibt für grund“ wieder Görlachs ganz eigene Stimme zeigt. Bereits der titelgebende Begriff „halsermohnz“ konfrontiert Leserinnen und Leser mit Fragen.

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Gestalterisch passt das Buch perfekt zum Namen des Verlags: in schlichter Schwarz-Weiß-Optik gehalten, mit klarer Typografie und einem eleganten Cover. Der Titel „halsermohnz“ steht in feiner Schreibschrift, der Name des Autors dezent versetzt darunter, flankiert vom vertikalen Schriftzug „Lyrik“ und dem Verlagslogo, einer Feder im Tintenfass.

Doch was erwartet uns im Inneren? Görlachs Lyrik, ebenso wie seine Fotografie – seine zweite große Ausdrucksform – speist sich aus Alltagsmomenten, aus beiläufigen Beobachtungen und prägnanten Sprachformen, an denen er sich festbeißt. Was zunächst unspektakulär klingt, entwickelt unter seiner Handschrift einen ganz eigenen Reiz. Görlach hat einen Stil gefunden, der durchdacht, geschliffen und zugleich überraschend daherkommt: mit feinen Wortspielen, scharfen Wendungen und einem Gespür für rhythmische Spannung.

Seine Gedichte kommen ganz ohne Titel aus. Sprachlich verdichtet, durchzogen von Anglizismen und Fragmenten der Mediensprache, wirken sie zugleich vertraut und modern:

ritze kerbe in plastikwartestuhl, praxis laut
überlaufen, desto fremder je öfter hier, docs faust
boxt zum gruß patientenakte am monitor, printer
druckt rosa rezept, doc winkt auf wiedersehen

Man könnte meinen, Görlachs Erfahrung als Lehrer für Deutsch als Zweitsprache habe seinen Stil geprägt; seine Texte sind aufs Wesentliche reduziert, fast im Telegrammstil. Prädikate und Artikel fehlen oft, stattdessen dominieren knappe Wortfolgen, Kombinationen aus Substantiven und Adjektiven. Es entstehen dichte Sprachbilder, die sich öffnen für Assoziationen, etwa, wenn er mit Wörtern wie bio-grafie/laden/mülle spielt, das schließlich mündet in die Zeile bleibt alles bio“.

Neben der Alltagsbeobachtung findet sich auch Gesellschaftskritik, etwa zu Themen wie Fake News, digitaler Kommunikation oder Migrationspolitik. Görlach bezieht Stellung, steht auf der Seite der Verwundbaren, der Marginalisierten. So heißt es etwa:

grenzen überwach wachsende zäune, bleiben
komfortzonen, aber für viele nicht, republik erstrahlt
doch auch zimmer aus glanz ist ohne tür ein sarg

durch kulturwolf gedreht gammle schein ich komposte

Auch politische Phrasen, zum Beispiel „Deutschland muss wieder führend in der Welt werden“, zerlegt er kunstvoll. Indem er das „werden“ einfach weglässt und die Phrase über mehrere Zeilen bricht, legt er das Pathos bloß, entlarvt es als Worthülse.

Nein, Lyrik wird die Welt nicht verändern. Aber sie kann benennen, verdichten, stören – und das tut sie hier. Görlach beherrscht sein Handwerk, seine Sprache ist präzise und zugleich offen, widerständig.

Seine Gedichte schimmern, leuchten kurz auf – und verschwinden wieder. Sie erzählen keine Geschichten, sie werfen Schlaglichter. Kleine Medaillons, manchmal irritierend, manchmal funkelnd. Zu den Glanzstücken zählt die poetische Annäherung an das rätselhafte „halsermohnz“, das mal als Kampf, mal als Flucht, mal als Frühstück daherkommt:

halsermohnz erfunden, durchzukommen, kann sein
kampf, flucht, salamibrot mit gurke, halsermohnz ist
meditation, wortinstallation […]
plan A

Glanzvoll bleibt auch das Gedicht über Belugas:

glaube an weißen gesang von belugas
ihr helleres leuchten als schaumkronen
glaube an weiß, durchschneien von allem
ans erwachen als jemand anders und flöten […]

Was bleibt nach der Lektüre dieses schmalen Bandes? Der Eindruck eines Autors, der seine Sprache kennt und ihr etwas zutraut. Und die Frage: „Was ist halsermohnz?“, eine Frage, die selbst nach dem Erklärungsgedicht offen bleibt.

Bewertung: 5/5

Axel Görlach: halsermohnz. Black Ink Verlag. 8 Euro. (erhältlich über den Shop auf der Website des Autors und den Verlag)

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