Hervé Le Tellier, der Autor des Bestsellers Die Anomalie, veröffentlicht nun, ein Jahr später, eine Liebesgeschichte zwischen einem 50jährigen Mann aus Paris und einer 20 Jahre jüngeren hübschen Frau aus Schottland, die bereits einen anderen Mann hat. Eine Geschichte, die eigentlich interessant sein könnte, doch leider misslingt das Vorhaben auf den lediglich 110 Seiten, und schafft es nicht, zu überzeugen.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers wird in süffisantem und bisweilen humorvoll-ironischem Ton erzählt, wie „unser Held“ bzw. „der Held“ sich in Paris in einen Flieger setzt, um seine Geliebte in Schottland wiederzusehen, wo diese mit ihrem Lebensgefährten wohnt. Dieser Lebensgefährte, der die störende dritte Variable in dieser instabilen Gleichung ist, wird vom Erzähler nur als „der Andere“ tituliert, als gelte es, ihn aus dem Leben und den Gedanken zu tilgen.
Doch diese Rechnung geht nicht ganz auf: Nachdem der Held in Schottland gelandet ist, nimmt er sich ein Hotel, das ebenso wie die Landschaft und das Wetter durch seine Tristesse besticht, und nimmt Kontakt zur Heldin auf. Diese geht zuerst nicht ans Telefon, sie lässt ihn warten und zappeln, zögert. So hatte sich der verliebte Held das nicht vorgestellt. Dann schließlich das erste Treffen: Die Heldin kommt mit dem Fahrrad, der Held mit dem Leih-Auto. Sie gehen in einen Pub, haben sich kaum etwas zu sagen, und wenn, dann eher Floskeln über die Liebe, die der Erzähler nicht einmal an die Leserinnen und Leser weitergeben möchte, um sie nicht zu langweilen. Kein Wunder, dass diese Liebesgeschichte scheitern muss.
Eigentlich ist schon nach der Hälfte des Buches klar, wie die Geschichte endet. Der Erzähler, der sich nicht mit Kommentaren zurückhält, lässt immer wieder durchblicken, wie die Geschichte ausgehen könnte und legt erste Fährten. Eines der Dinge, die mich an „Ich verliebe mich so leicht“ gestört hat, war, dass der Erzähler sich nicht zurückhalten kann, sondern in der Art eines allwissenden alten Mannes stets seine eigene Weisheit dazugeben muss, die mitunter den Lesefluss stört. Das mag zwar manchmal amüsant sein, wenn der Erzähler die Schönheit der Heldin in einer Weise preist, dass es schon wieder etwas lächerlich wird, doch auf Dauer fand ich diese übertriebene Einmischung in die Geschichte, diesen ständigen Kommentar aus dem „Off“ unpassend.
Man liest „Ich verliebe mich so leicht“ nur deswegen zu Ende, um zu erfahren, wie der Held scheitert, nicht ob er scheitert. Insofern handelt es sich um eine zwar schmale, aber doch um eine klassische Tragödie, auch wenn keine Götter, Naturgewalten und mythischen Wesen eine Rolle spielen. Nur Filmstars und Filme spielen manchmal eine Rolle, wird doch hin und wieder ein Vergleich mit einzelnen Filmszenen gezogen.
Es scheint mir, dass Hervé Le Tellier durch den Aufbau des Buches versucht hat, die Struktur der klassischen Tragödie aus den fünf Akten Exposition, Steigerung, Peripetie, retardierendem Moment und Katastrophe einzuhalten und in eine modernisierte Form zu übertragen. Die Kapitel sind sehr kurz und werden alle durch eine Inhaltsangabe eingeleitet, die nicht selten ebenfalls ironisch ist. Der Versuch, die Erzählung klar zu strukturieren, indem der Autor die Handlung in Akte aufteilt und den Helden und die Heldin allmählich in die Katastrophe laufen lässt, macht einen Reiz dieses knapp bemessenen Buches aus.
Insgesamt reicht die Handlung jedoch nicht aus, um den Leser und die Leserin zu fesseln und vor allem um einen längerfristigen Eindruck zu hinterlassen. Der Titel „Ich verliebe mich so leicht“, der ein Zitat von Romain Gary aufgreift, ist sehr hübsch, doch passender wäre „Ich entliebe mich so leicht“. Ich kann dieses Werk von Hervé Le Tellier leider nicht empfehlen, es sei denn für solche Leserinnen und Leser, die sich für die Erzählung um eine Liebe zwischen zwei Personen unterschiedlichen Alters interessieren.
Bewertung: ⭐⭐⭐ 2,5/5
Hervé Le Tellier: Ich verliebe mich so leicht. Rowohlt. 20 €.
Da dieses Buch in der Hörbuch-Fassung heute im Buchjournal Diwan des Bayerischen Rundfunks vorgestellt wurde, freut es mich, hier die ergänzende Besprechung zu lesen. Wenn schon die Verliebtheitsgeschichte nicht so ganz rund läuft – während der wir uns den Erzähler gewissermaßen als Chor der antiken Tragödie vorstellen – kommt denn das schottische Bühnenbild etwas zur Geltung?
Die schottische Landschaft spielt schon eine Rolle, aber eher eine Nebenrolle, als Ergänzung zu der gefühlsmäßigen Flaute sozusagen, denn das Wetter ist während des Aufenthaltes des Erzählers in Schottland die ganze Zeit schlecht und trüb. Wie man es von Schottland also erwartet….